Das Kapital des Wissens

WIRTSCHAFTSFAKTOR UNI Das Wirtschaftsinstitut DIW econ hat untersucht, welche Effekte die TU Berlin in der Hauptstadtregion wirtschaftlich erzielt. Fazit: Bildung rechnet sich!

11.200 Arbeitsplätze in der Region und über 21 Millionen Euro Steuereinnahmen für die Stadt

VON LARS KLAASSEN

Das Kapital des Wissens wurde erstmals umfassend beziffert – vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW): Eine Studie des Consulting-Unternehmens DIW econ hat regionale Wirtschaftseffekte am Beispiel der Technischen Universität (TU) Berlin konkret durchgerechnet. In Euro und Cent bilanziert, akkumulieren sich dabei veritable Summen. Einzelne Faktoren, die den Geldsegen generieren, sind detailliert aufgeschlüsselt. So kann ökonomisch fundierte Hochschulplanung künftig gezielter ausgerichtet werden.

Die Analyse gliedert sich in zwei Abschnitte: „Zunächst haben wir die Rolle der TU Berlin als Nachfrager von Arbeitskräften sowie von Gütern und Dienstleistungen spezifiziert“, erläutert Ferdinand Pavel, Autor der Untersuchung. „Das sind vor allem die klassischen Ausgaben in Form von Haushaltstiteln, die sich direkt und indirekt auf die Berliner Wirtschaft auswirken – etwa Nachfrage, Beschäftigung oder Steueraufkommen.“ Die Ausgaben der TU lösen in Berlin eine zusätzliche Wertschöpfung von insgesamt 533,3 Millionen Euro und Nachfrageeffekte von insgesamt 424,4 Millionen Euro aus. Sie schaffen und sichern über 11.200 Arbeitsplätze in der Region und generieren über 21 Millionen Euro Steuereinnahmen für die Stadt. Somit sind die durch die TU Berlin ausgelösten Effekte deutlich höher als die vom Land Berlin zur Grundfinanzierung bereitgestellten Mittel (276,4 Millionen Euro).

„Dass die öffentlichen Mittel auch für andere Zwecke hätten verwendet werden können“, so Pavel, „wurde ebenfalls berücksichtigt.“ Diese Berechnungen verdeutlichen, dass keine der untersuchten Alternativen wirtschaftlich mehr bringen würde. Dies ist insbesondere auf zwei Faktoren zurückzuführen, bei denen die Hochschule eine besondere Hebelwirkung erzielt: Erstens werden zusätzlich zur Grundfinanzierung weitere Drittmittel eingeworben, mit denen wiederum Ausgaben getätigt werden. Zum anderen zieht die TU Berlin über 28.000 Studierende an, sprich: Konsumenten. „Dieses Bild dürfte sich auch bei anderen Hochschulen und in anderen Regionen ähnlich widerspiegeln“, sagt Pavel. Tendenziell sei lediglich die Bedeutung der Studierenden in wirtschaftlich schwächeren Regionen wahrscheinlich etwas stärker.

Im zweiten Abschnitt der Analyse stehen die längerfristigen Impulse im Mittelpunkt, die aus den Wissens- und Angebotseffekten resultieren. „Auch wenn die gesamten Angebotseffekte aufgrund ihrer Komplexität nicht vollständig empirisch abschätzbar sind“, so Pavel, „legt bereits die qualitative Analyse die Vermutung nahe, dass die vielen, von Lehre und Forschung ausgehenden Wirkungen mindestens denen der Ausgaben- beziehungsweise Nachfrageseite entsprechen.“ Die Studie beschreibt zwei Effekte: die Wirkung der Lehre auf das „Humankapital“ und die Wirkung der Forschung auf die Wirtschaft. Zum erstgenannten tragen insbesondere die Studierenden mit hohen Anteilen in den Natur- und Ingenieurwissenschaften bei, die auch die gesamtwirtschaftlichen Kosten des derzeitigen Fachkräftemangels absenken.

Die Wirtschaft profitiert außerdem davon, dass die TU Unternehmens(aus)gründungen unterstützt. So betrugen die Umsätze der von Absolventen gegründeten Unternehmen in 2004 etwa das 4,5-fache des Landeszuschusses und schafften über 11.000 Arbeitsplätze in Berlin. „Die in diesem Abschnitt beschriebenen Effekte sind schwieriger auf andere Fälle übertragbar“, gibt Pavel zu bedenken, „da hier die Strukturen von Region und Hochschule den größeren Ausschlag geben.“ Doch in einem Punkt hat die DIW-Studie auch hier über den Einzelfall hinaus Gültigkeit: „Zahlreiche Kooperationen mit den außeruniversitären Forschungseinrichtungen verdeutlichen zudem, dass sich um die TU Berlin herum ein ‚wissenschaftlicher Speckgürtel‘ angesiedelt hat, in dem alle Beteiligten von Synergieeffekten profitieren.“ Die Erkenntnisse anhand des Berliner Beispiels lassen sich zudem auf die „Städte der Wissenschaft“ anwenden (Artikel auf dieser Seite).