Jobcenter fragt nach Sexleben

Hartz-IV-Schnüffelei

Ganz genau wissen wollte es ein Sachbearbeiter des Jobcenters Stade: „Während der gesetzlichen Empfängniszeit habe ich mit folgenden Männern Geschlechtsverkehr gehabt“ stand in einem Fragebogen. Den sollte eine Schwangere ausfüllen, um Hinweise auf den Vater ihres ungeborenen Kindes zu geben. Weil sie sich weigerte, diese Frage zu beantworten, bekam sie kein Geld vom Jobcenter. Erst nachdem die Anwaltskanzlei, an die sich gewandt hatte, den Fall öffentlich machte, wurden ihr die ihr zustehenden staatlichen Hilfen überwiesen.

Am Dienstag teilte der Geschäftsführer des Jobcenters, Friedhelm Keiser in einer Pressemitteilung mit, der Mitarbeiter habe den Fragebogen „selbst entworfen“ und bedaure dies mittlerweile „sehr“. Zudem habe er sich als Geschäftsführer persönlich bei der Frau entschuldigt. Der Fragebogen sei nach dem Bekanntwerden aus dem Verkehr gezogen worden. Er sei nur „in einem einzigen Fall ausgegeben“ worden, bestätigte der Jobcenter-Chef Keiser am Mittwoch der taz und kündigte an, dass „personalrechtliche Konsequenzen“ gegen den Sachbearbeiter „geprüft“ werden.

Davon war in der Pressemitteilung noch nicht die Rede: „Mit dem Mitarbeiter ist ebenfalls ausführlich gesprochen worden. Ihm ist seine Kompetenzüberschreitung und die Wirkung seines Handels inzwischen bewusst“, hieß es dort nur.

Denn, das stellte das Jobcenter auch öffentlich klar, Angaben über den Kindsvater wegen möglicher Unterhaltszahlungen seien freiwillig. Der Mitarbeiter habe „sich an Fragen orientiert, die Jugendämter stellen dürfen, um unbekannte unterhaltspflichtige Väter zu ermitteln“, hieß es. Nach den SexpartnerInnen fragen darf allerdings auch das Jugendamt nicht.

Die Anwaltskanzlei sucht unterdessen auch via Facebook nach weiteren Betroffenen, um herauszufinden, ob es sich tatsächlich um einen Einzelfall handelt. In einem Kommentar schrieb dort eine Frau, sie kenne einen Fragebogen, in dem nach Gründen für die Ehescheidung gefragt worden sei.

Inge Hannemann, ehemalige Jobcenter-Mitarbeiterin und heutige arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Linksfraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft, sagte der taz, viele Leute wunderten sich über derartige Fragen gar nicht. Sie seien es gewohnt, dass Ämter ihnen sehr private Fragen stellten. eib