Das Ding, das kommt
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Auf Hunderten von Polaroid-Fotos hat ein gewisser Ted Serios in den 70er-Jahren seine Gedanken eingefangen – wenn man das denn glauben möchte Foto: © Jule Eisenbud Collection/University of Maryland/Textem Verlag

Unsichtbares auf Film

Als wäre das mit der Fotografie nicht an sich schon magisch genug: So richtig be-zaubernd fand, wer es je miterlebte, wohl, was eine Sofortbildkamera machte. Was ansonsten in der Einsamkeit des Labors geschah (oder irgendwann in den Automaten, die das Entwickeln besorgten), hier passierte es vor den Augen des Laien: Wie aus dem Nichts schält sich da etwas aus grau-homogener Fläche heraus, wandeln sich Chemikalien unter Lichteinfall, eine Manifestation des vielleicht auch noch in echt vor einem Stehenden, aber vielleicht auch längst wieder verschwundenen abgelichteten Objekts.

Diese Methode, die sich nie recht befreien konnte vom Ruch des Gadgets, also der technischen Spielerei, ist dabei kaum jünger als die Fotografie insgesamt: Eine frühe Form des Sofortbilds gab es schon in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, entwickelt in Paris. Nochmal ein knappes Jahrhundert später dann hielt ein gewisser Edwin Herbert Land die erste Sofortbildkamera im heutigen Sinne in Händen – vermarktet dann durch sein eigenes Unternehmen namens Polaroid.

Zwar gab es die Jahrzehnte hindurch auch Konkurrenz, aber ganz so, wie bestimmte Papiertaschentuch- oder Klebestreifenmarken zeitweise für das Papiertaschentuch oder den Klebestreifen an sich standen, so stand Polaroid lange auch für das Sofortbild. Das geht so weit, dass die Firma sich seit 2010 sogar wieder mit einer Sofortbildkamera auf den Markt wagte – in einer Zeit also, da mit der Digitalisierung die sofortige Verfügbarkeit des Bildes zur Selbstverständlichkeit geworden ist.

Ehe Polaroid in den frühen 70er-Jahren die Integral-Methode entwickelte, die in der beschriebenen Weise vor den Augen des mehr oder minder staunenden Zuschauers automatisiert ablief, gab es fast 30 Jahre lang „peel apart“, das Trennbild, bei dem der Nutzer noch mitwirken musste. Kein bisschen weniger magisch wirken aber jene rund 400 Polaroids, um die es geht, wenn die Rede ist von Jule Eisenbud und Ted Serios.

Eisenbud war Psychiater in New York, unter anderem, und das bedeutete in jenen Tagen wohl, sich nicht um jeden Preis auch sortenrein abzugrenzen gegen das Übernatürliche, das Paranormale: 1964 stieß er auf jenen Serios, den viele als kein bisschen seriös wahrgenommen haben dürften: Serios beanspruchte für sich die Fähigkeit, Gedanken aufs Sofortbild übertragen zu können, also sichtbar zu machen – „Gedankenfotografie“ hieß dann auch das Buch, das Eisenbud 1975 dazu veröffentlichte. Dieses wiederum ist die Grundlage eines jetzt erscheinenden Bandes, den der Hamburger Filmemacher Romeo Grünfelder herausgegeben hat: „Ted Serios. Serien“ versammelt etliche jener damals in nur wenigen Jahren entstandenen Bilder: 1967 nämlich sei Serios seine Fähigkeit wieder abhanden gekommen.

Serios, den viele als kein bisschen seriös wahrgenommen haben dürften

Die Zeit befasste sich vor über 40 Jahren reichlich pikiert mit der Sache – und wies Serios respektive Eisenbud Täuschung beziehungsweise das Erzählen von „Märchen“ nach. Dabei ist die Frage, ob Serios nun ein Hochstapler war (und Eisenbud sein Komplize), eigentlich so interessant nicht – verglichen mit der, warum ein Thema wie das Fotografieren-Können von Unsichtbarem derart fasziniert. Andererseits. War hier nicht am Ende doch Übernatürliches im Spiel? Immerhin fehlen heute etliche der einst verfertigten Fotos in den Archiven – und das, obwohl Eisenbud nie welche vernichtet haben soll … aldi

Romeo Grünfelder (Hg.): „Ted Serios. Serien“, Textem 2016, 564 S. mit 352 Abb., 38 Euro

Buchvorstellung: Mi, 2.11., 21.15 Uhr, Metropolis Kino, Hamburg