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Ich habe ihm sofort nicht geglaubt. Die Zeiten, in denen Muslime in Naivität nach Syrien gereist sind, um 'zu helfen', waren lange vorbei. Dafür hatte der IS seine Mediemaschine angeworfen und Menschen angezogen, die auf Gewalt, Raub und alle Arten von Straftaten standen, vielfach auch schon in einem europäischen Land begangen und häufig mit der Konsequenz einer Gefängniserfahrung.
Das war doch die Art von Menschen, die 2014 und sogar noch 2015 beim 'Islamischen' Staat auftauchten. Harry S. war vor dem Gericht dann die große Ausnahme. Nun ja, vielleicht war er es nie, sondern dachte, er könne sich einen netten Weg bauen, einer Strafe zu entgehen.
Einmal im Leben richtig randalieren, töten, stehlen, vergewaltigen, entführen, versklaven, foltern und dabei eine Menge Spaß haben - das war doch das Credo der IS-Jihadis. In vielen arabischen und islamischen Ländern folgt darauf eigentlich die Todesstrafe, mindestens aber Knast für immer. Bei uns wurden es drei Jahre und ein wenig sozialpädagogisches Argumentieren - rund um Lügen? Ich würde sagen: Ja.
Harry S. gehört m.M. vor ein kurdisches oder syrisches Gericht und die dort üblichen Rechtssprechungsmethoden sollten auch auf ihn angewendet werden, denn das, was er vermutlich dort gemacht hat, hat er dort getan, nicht hier. Hier hat er m.M. nur Storys erzählt, aber wirklich gekonnt, aber auf die Medien verstehen sich ja IS und Jihadis allemal.
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Kommentar IS-Video und Harry S.: Auf den Leim gegangen
Ließ sich das Oberlandesgericht in Hamburg einem IS-Terroristen täuschen? Diese Frage wirft ein Video auf, das das ZDF verbreitet.
Auf er Anklagebank: Der Bremer IS-Aussteiger Harry S. Foto: dpa
Ging das Hanseatische Oberlandesgericht in Hamburg einem Terroristen auf den Leim? Diese Frage wirft ein Video auf, das das ZDF und die Washington Post verbreiten. Der Film zeigt den Bremer Harry S. mit gezogener Waffe. S. wurde im Juli wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen Terrorvereinigung und Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz zu einer vergleichsweise milden Strafe von drei Jahren Haft verurteilt. Anklage und Urteil basierten vor allem darauf, was der heute 28-Jährige aussagte. Bei der Verhandlung wurde klar: Es gibt nur seine Version. Das Wenige, was die deutschen Behörden wussten, deckte sich mit seinen Aussagen.
Wer den Terroristen nach derzeitiger Aktenlage auf den Leim gegangen ist, ist das ZDF. Wie die Washington Post weist die öffentlich-rechtliche Sendeanstalt wenigstens darauf hin, dass das Video aus einer internen Quelle der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) stammt. Das Problem ist aber, dass das ZDF daraus voreilige Schlüsse zieht.
Klar ist ein Mann wie Harry S., der zum IS nach Syrien geht, kein Unschuldslamm. Das rechtfertigt aber noch lange nicht eine tatsachenbehauptende Überschrift wie „Die Lügen des Harry S. : Deutscher Islamist doch an Morden beteiligt“, wie das ZDF titelt.
Dieser vorschnelle Schluss zeigt, dass sich die Rundfunkanstalt wiederum mit einer vom IS zugespielten Botschaft gemein macht. Nach den umfassenden Aussagen und Schilderungen aus dem Innenleben der Terrormiliz, hat der IS aber ein großes Interesse, dem abtrünnigen Syrien-Rückkehrer Harry S. zu schaden.
Sollte sich herausstellen, dass S. entgegen seiner Aussagen vor Gericht doch von seiner Schusswaffe Gebrauch gemacht hat, sind alle Beteiligten gut beraten, auch darüber den Rechtsstaat urteilen zu lassen.
Im schlimmsten Fall kann der Fall von Harry S. vor Augen führen, dass mit rechtsstaatlichen Mitteln nicht jedem Verbrechen beizukommen ist. Ohne entsprechende Mittel gelänge das aber noch viel weniger.
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Kommentar von
Lena Kaiser
Transformatorin und Autorin
studierte Politikwissenschaft, Philosophie und Ethnologie in Potsdam, Berlin und Mexiko-Stadt und schreibt seit 2009 für die taz. Sie volontierte bei der taz in Hamburg, war dort anschließend Redakteurin, Chefin von Dienst und ab Juli 2017 Redaktionsleiterin. 2019 wechselte sie in die Produktentwicklung der taz und ist verantwortlich für die Digitalisierung der täglichen taz.
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