Portrait
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Ellen Ueberschär, neue Ko-Chefin der Böll-Stiftung Foto: imago

Theologin mit Coolness-Faktor

Es gibt diese wunderbaren ­Ellen-Ueberschär-Momente – wie damals im Frühjahr, beim taz-Kongress. Die evangelische Theologin soll mit einem Muslim, einer Jüdin und einem Atheisten die Frage erörtern: „Wäre die Welt ohne Religion ein besserer Ort?“ Darüber kann man sich ordentlich in die Haare kriegen, und manche schwallen bei so einer Frage ganz schrecklich. Ellen Ueber­schär aber umschiffte diese Klippen lässig, blieb charmant schnoddrig, nicht zu harmonisch und machte ihren Punkt: Die Religionen seien nicht das Problem, aber Fundamentalisten in ihnen, und nicht zuletzt die im Christentum, klar.

Mit dieser ­Grundeinstellung und der ihr angeborenen Coolness passt sie perfekt in den neuen Job, der nun vor ihr liegt: Die 48-Jährige wird nach dem Wunsch des Aufsichtsrats im Sommer eine von zwei Chefinnen der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung werden – als Nachfolgerin von Ralf Fücks und neben der bisherigen Ko-Chefin Barbara Unmüßig.

Mit Fücks teilt Ellen Ueberschär, die seit zehn Jahren Generalsekretärin des Evangelischen Kirchentags ist, die Freude an der aktuellen gesellschaftlichen Debatte. Und dass nun zwei Frauen die Böll-Stiftung leiten werden, muss ihr gefallen. Denn Ellen Ueberschär scheut den Streit für die Sache der Frauen – auch in ihrer Kirche – nie. In einem taz-Interview bemerkte sie 2011 trocken: „Die Kirche war nie ein Ort der Emanzipation.“ Ellen Ueberschär liebt das offene Wort, überall.

Und sie weiß zu kämpfen. Als engagierter Christin blieb ihr in der DDR ein Medizinstudium verwehrt. Sie machte eine Ausbildung zur Facharbeiterin für Datenverarbeitung, ehe sie ihr Theologiestudium im Sprachenkonvikt in Ostberlin begann – einer ziemlich freien kirchlichen Hochschule, der viele kluge Leute entstammen. Nach der Wiedervereinigung galt Ellen Ueberschär schnell als eine der weiblichen Hoffnungen ihrer Kirche. Völlig zu Recht. Als sie sich jedoch 2013 als Bischöfin der großen rheinischen Kirche bewarb, unterlag sie dem dortigen Homeboy der Synodalen. Ueberschär hat sich das nicht zu Herzen genommen, ist aufgestanden und hat cool einfach weitergemacht. Wie das ihre Art ist. Philipp Gessler