NSU DNA des Terroristen Uwe Böhnhardt am Fundort der Leiche Peggy K.s erfordert neue Ermittlungen
: „Unfassbarer Verdacht“

Der Wald, in dem Skelettteile von Peggy gefunden wurden Foto: F.: N. Armer/dpa

Von Konrad Litschko

BERLIN taz | Mehmet Daimagüler hatte schon früh Zweifel. Eine Kindersandale im Wohnmobil des NSU-Trios. Die Festplatte mit Kinderpornografie im Unterschlupf in Zwickau. Die Hinweise auf Straftaten an Kindern von Kontaktleuten der Rechtsterroristen. Steckte da mehr dahinter?

Daimagüler, Anwalt der Familien zweier Nürnberger NSU-Opfer, könnte recht haben. Ermittler fanden eine DNA-Spur des NSU-Terroristen Uwe Böhnhardt am Fundort der vor 15 Jahren getöteten Peggy K. Die damals Neunjährige war 2001 im bayerischen Lichtenberg verschwunden. Erst im Juli 2016 wurde ihre Leiche in einem Thüringer Wald gefunden. Die DNA Böhnhardts auf einer Wolldecke am Fundort entdeckten Ermittler in dieser Woche.

Die Leichen Böhnhardts, der sich 2011 erschoss, und Peggy K.s wurden beide im rechtsmedizinischen Institut Jena untersucht. Ein Sprecher teilte dort am Freitag mit, „eine etwaige zufällige Übertragung von DNA zwischen beiden Fällen“ sei „ausgeschlossen“. Auch BKA-Präsident Holger Münch sagte, mit „an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ stamme die DNA-Spur vom Leichenfundort.

Das wäre eine spektakuläre Wendung. Bisher werden dem NSU die Morde an neun migrantischen Gewerbeleuten und einer Polizistin vorgeworfen, dazu zwei Anschläge und 15 Raubüberfälle. Im Fall Peggy K. wurde 2004 der geistig beeinträchtigte Ulvi K. als Täter verurteilt. In einem Wiederaufnahmeverfahren wurde er 2014 freigesprochen. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) sagte am Freitag: „Dass jetzt der Verdacht besteht, dass einer der NSU-Terroristen auch noch der Mörder der kleinen Peggy sein könnte, ist unfassbar.“ Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) kündigte an, in dem Fall „allen denkbaren Hinweisen“ nachzugehen. Die im NSU-Komplex ermittelnde Bundesanwaltschaft steht bereits in Kontakt zu den Ermittlern im Fall Peggy K., auch das BKA ist involviert.

Böhnhardt stand bereits zuvor im Verdacht, im Juli 1993 an der bisher ungeklärten Ermordung des neunjährigen Schülers Bernd B. in Jena beteiligt gewesen zu sein. In der Nähe der Leiche B.s hatten Ermittler einen Außenbordmotor gefunden, der Enrico T. gehörte, einem mutmaßlichen NSU-Helfer. T. behauptete, der Motor sei ihm vor der Tat gestohlen worden, und beschuldigte Böhnhardt des Mordes an B. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Gera sagte am Freitag, der Verdacht gegen Böhnhardt habe sich bisher nicht bestätigt, DNA-Treffer gebe es keine. Der Fall werde aber noch einmal überprüft.

„Eine zufällige Übertragung von DNA ist ausgeschlossen“

Sprecher der Rechtsmedizin, Uni Jena

Im Fall Peggy K. kündigte die zuständige Oberstaatsanwaltschaft Bayreuth an, „in alle Richtungen“ zu ermitteln. NSU-Opferanwälte verwiesen auf eine Waldhütte nahe dem Leichenfundort, die von Neonazis genutzt worden sei. Möglich sei, dass die Decke von dort stamme. Die an der Kindersandale aus dem NSU-Wohnmobil gefundene DNA stimme nicht mit der von Peggy K. überein, sagte BKA-Präsident Münch.

Opferanwalt Daimagüler verlangte von den Ermittlern „den Mut, allen Spuren konsequent nachzugehen, und die Demut, zu sagen: Wir wissen vieles im Zusammenhang mit dem NSU nicht.“ Er forderte einen DNA-Abgleich mit allen ungeklärten Tötungsdelikten seit 1990, besonders Fälle mit Kindern oder Migranten als Opfer.

Clemens Binninger (CDU), Vorsitzender des NSU-Untersuchungsausschusses im Bundestag, forderte zudem eine „Generalrevision“ der DNA-Spuren im NSU-Komplex. Die Linken-Obfrau Petra Pau forderte die Bundesanwaltschaft auf, den Abgleich aller DNA-Spuren von vermissten Kindern aus Thüringen, Sachsen oder Oberfranken mit NSU-Spuren anzuordnen.