PRESS-SCHLAG Warum die Fifa gar nicht anders kann, als das WM-Turnier aufzublähen
: Großes Kino mit Infantino

Nun, an unendliches Wachstum glauben nicht nur Ökonomen und Verrückte, sondern auch Fußballfunktionäre. Da gibt es zum Beispiel diesen Gianni Infantino, der die Welt des Fußballs regiert. Der Schweizer mit kalabrischen Wurzeln hat die Zeichen der Zeit erkannt. Es muss immer ein wenig mehr sein. Was war, war zu wenig. Das gilt für Unternehmen wie für eingetragene Vereine wie die Fifa, die ja im Grunde auch nur ein weltumspannendes Unternehmen mit einem philanthropischen Überbau ist. Diese Fifa mit Infantino an der Spitze möchte 2026 eine Weltmeisterschaft mit mehr als 32 Mannschaften austragen. Der Fußball als geistige Supermacht der Postmoderne braucht solche Leute wie Infantino, die den roten Knopf der Wachstumsbeschleunigung ohne Skrupel drücken.

Zuerst sollten es 40 sein. Mit diesem Versprechen köderte Infantino bei seiner Wahl zum Fifa-Chef Stimmen. Doch weil bei dieser Zahl das sich drehende WM-Rad einen leichten Schlag hätte, hat der Schweizer nun auf 48 Teams aufgestockt. Das klingt nach einem kühnen Projekt. Aber im Grunde greift Infantino nicht nach den Sternen, sondern nur nach einer glimmenden Glühlampe. Warum? Weil dieses Wachstum in der Logik der Fußballmacher und Fußballvermarkter längst überfällig war und es im Vergleich zum Kontinentalverband Uefa extrem moderat ausfällt.

Bekanntermaßen hat die Uefa im vergangenen Sommer in Frankreich ein Turnier mit 24 Mannschaften ausgerichtet. Mitglied der Uefa sind aber nur 55 Landesverbände. 43,6 Prozent der Uefa-Mitglieder waren also dabei, und im Großen und Ganzen wurden solche Teams wie Island oder Albanien als Bereicherung empfunden, auch wenn das Event seine Längen hatte. In der Fifa sind 211 Länder vereint. Die WM-Quote (32 Teams) liegt bis dato bei lächerlichen 15,2 Prozent. Würde das Turnier auf 48 Mannschaften aufgestockt, worüber die Fifa-Exekutive in den kommenden Tagen in Zürich berät, würden auch nur 22,7 Prozent der Landesverbände an einer WM teilnehmen. Wollte die Fifa so progressiv wie die Uefa sein, dann müssten 92 Verbände zum Championat fahren, zweiundneunzig. Dann würden wir vielleicht mehr über Burkina Faso, Guatemala oder Brunei erfahren.

Aber wer sollte so ein Monsterturnier stemmen? Schon mit 48 Teams wäre ein Gastgeberland überfordert, weswegen der clevere Infantino nun den Plan lanciert hat, so eine WM von mehreren Ländern ausrichten zu lassen. Auch in dieser Hinsicht war die Uefa der Zeit voraus. In vier Jahren wird die EM in 13 europäischen Städten stattfinden. Es wird in Bilbao, Kopenhagen, München oder Baku gekickt. Das ist ein Experiment, genauso wie Infantinos 48er-Turnier.

Der Fußball als ­geistige Supermacht der Postmoderne braucht Leute wie Infantino

Der Modus hätte sogar einen gewissen Charme, denn fest qualifiziert wären nur 16 Teams. 32 Mannschaften würden gleich zu Turnierbeginn ­K.-o.-Duelle austragen. Die Verlierer führen nach nur einem Spiel nach Hause, was ein ziemliches Spektakel, aber auch mit Unwägbarkeiten verbunden wäre. Würden TV-Rechte-Inhaber bei so einem Vabanquespiel mitmachen? Wohl eher nicht. Deswegen hat die sichere 40er-Variante wohl mehr Chancen. Sie wäre berechenbarer – und langweiliger. Markus Völker