„Wir müssen aufrüttelnder werden“

DISKRIMINIERUNG Die Linken-Politikerin Cornelia Möhring fordert nach der Debatte über Sexismus Taten – mittels Aktionsplan und neuen Gesetzen

Cornelia Möhring

Foto: Uwe Steinert

56 Jahre, ist frauenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag und stellvertretende Fraktionsvorsitzende. Seit 2009 sitzt die frühere Beraterin für Betriebsräte im Parlament, eingezogen über die Landesliste der Linken in Schleswig-Holstein

taz: Frau Möhring, durch den offenen Brief der Berliner CDU-Abgeordneten Jenna Behrends an ihre Partei ist Sexismus in der Politik gerade ein viel diskutiertes Thema. Sie kramen jetzt einen Antrag der Linkspartei aus dem Juni wieder hervor. Warum?

Cornelia Möhring: Ich finde es angemessen, solche Momente zu nutzen, um konkrete Handlungsvorschläge zu entwickeln. Als jetzt der Fall in der Berliner CDU hochkochte, haben wir das zum Anlass genommen, unseren Antrag „Sexismus die Rote Karte zeigen – Für einen bundesweiten Aktionsplan“ vom Juni noch mal in Erinnerung zu rufen. Die Regierungsfraktionen haben nun einer Anhörung zu unserem Antrag im Familienausschuss zugestimmt, die voraussichtlich nächstes Frühjahr stattfinden wird.

Sie beschreiben in dem Antrag vielfältige Spielformen des Sexismus, sei es im Job, in der Beziehung, in den Medien. Wie kann ein von oben beschlossenes Programm etwas ändern, das unser Gesellschaftsbild so grundlegend prägt?

Vor allem müssen wir es schaffen, dass die Leute aktiv werden. Nehmen Sie doch mal Polen, wo das Abtreibungsrecht doch nicht verschärft wird …

… nachdem Zehntausende Frauen im ganzen Land auf die Straße gegangen sind.

Genau. Das zeigt doch: Wenn mehr Leute aufbegehren, kann man etwas verändern. Dass der Protest von Frauen zum Erfolg führt, finde ich sehr ermutigend.

Die Vice-Journalistin Laura Himmelreich schrieb kürzlich, die „Aufschrei-Debatte“ vor drei Jahren über Sexismus in der Gesellschaft habe nicht den Effekt gehabt, den sie hätte haben können. Was muss passieren, damit es diesmal anders läuft?

Wir dürfen die Debatte nicht wieder einschlafen lassen. Sie muss auch in konkreten Maßnahmen gipfeln. Nach Köln und anderen Gelegenheiten wurde Sexismus nicht als gesellschaftliches Problem, sondern als individuelle Frage behandelt. Es ist aber kein individuelles Schicksal, wenn eine Frau sexistischen Handlungen ausgesetzt ist.

Und was kann man tun?

Vielleicht sind wir zu schnarchig. Statt nur darüber zu reden und zu schreiben, müssten wir uns vielleicht mal zusammentun und militanter werden, aufrüttelnder in unseren Aktionsformen. Wir müssen Sexismus deutlicher markieren, damit nicht alle immer wieder damit durchkommen.

Wie könnte das aussehen?

Hier in Schleswig-Holstein haben wir mal echte Rote Karten mit in Veranstaltungen genommen. Wenn sexistische Sprüche kamen, haben wir die hochgehalten. Warum sollte man das nicht auch mal im Bundestag versuchen?

Ist das nicht eine bloße Symbolaktion?

Das Entscheidende ist, Sexismus keinen Raum zu geben. Bei Seminaren habe ich schon früher konsequent gesagt, dass ich mir sexistische Witze verbitte. So zu handeln, ist unangenehm, man ist erst mal die Spaßbremse. Aber noch viel unangenehmer ist es mir, solche Witze anhören zu müssen.

Und was folgt politisch weiter?

Es kommt da gesellschaftlich immer mehr Fahrt rein, auf beiden Seiten. Es gibt immer wieder Versuche, das sexuelle Selbstbestimmungsrecht einzuschränken, etwa in der Debatte über das Prostituiertenschutzgesetz oder mit den Demos der sogenannten Lebensschützer. Deswegen kommt es jetzt sehr darauf an, durch gesellschaftlichen Einsatz und auch durch Gesetze die richtige Entwicklung mit zu fördern. Interview
Dinah Riese