Seltene Einblicke

Schnörkellos erzählte Kindheit und Jugend in Hamburg: Rolfs Bornholdts Autobiographie „Harte Schatten“

„Proletarische Lebensläufe“ nannte der Bremer Literaturwissenschaftler Wolfgang Emmerich 1974 eine von ihm herausgegebene Sammlung autobiographischer Texte. Anstelle hohler Phrasen und Spekulationen drücke die Arbeiterbiographie, so Emmerich, „wirkliches Wissen über die Arbeiterklasse“ aus. Für ihn ist sie Dokument einer „zweiten Kultur“ in Deutschland.

Eine solche Biographie hat Rolf Bornholdt, langjähriger Mitarbeiter des Museums der Arbeit, mit seinem Buch Harte Schatten. Eine Kindheit und Jugend in Hamburg vorgelegt. In schnörkellosem Erzählstil setzt er sich mit der eigenen Identität sowie Fragen nach ihn prägenden kulturellen und gesellschaftlichen Einflüssen auseinander.

Eindringlich und berührend erzählt der 1938 geborene Autor von seinen Kindheitserfahrungen in Krieg und Nachkrieg, die sich vor allem in Eimsbüttel und Eidelstedt zutrugen. Er beschreibt die soziale Herkunft seiner in Landwirtschaft und Kleingewerbe tätigen Vorfahren sowie ihr politisches Engagement in Sozialdemokratie und Gewerkschaften. In kritischem Ton skizziert er die mangelnde Fürsorge der Eltern, ihre fehlende Wahrnehmung der Begabungen ihres Sohnes. Auch berichtet Bornholdt von seiner eigenen politischen Orientierung, der frühen Mitgliedschaft in den „Jungen Pionieren“, der Kinderorganisation der „Freien Deutschen Jugend“, deren militärische Rituale er ablehnte.

Da ihm das Elternhaus die Förderung weiterer Bildungsmöglichkeiten versagte, versuchte sich Bornholdt nach dem Volksschulabschluss mehr oder minder erfolglos in unterschiedlichsten Berufsfeldern: als Maler und Lackierer, als Buchbinder, Thermometerjustierer und Telegrammbote. Erst 1964, mit seiner Tätigkeit als Aufseher im Hamburger Museum für Völkerkunde, begann eine kontinuierliche Berufsbiographie, während der er auch lange Jahre Personalratsvorsitzender der Hamburger Kulturbehörde war.

Vor drei Jahren erschien unter dem Titel Nur ein Mädchen die Autobiographie seiner verstorbenen Ehefrau Elfriede; Rolf Bornholdts Harte Schatten vervollständigt nunmehr eine Doppelbiographie, die Einblicke in die Lebensverhältnisse einer sozialen Schicht gewährt, die allzu selten das Interesse der Öffentlichkeit erfährt. Die Autoren verstehen sich darin als Subjekte ihrer eigenen Geschichte und empfehlen sich dem interessierten Leser nicht zuletzt durch ihre unbedingte Ehrlichkeit.Wilfried Weinke

Rolf Bornholdt, Harte Schatten. Kindheit und Jugend in Hamburg, Hamburg 2005 (Selbstverlag), 128 S., zahlreiche Abb., 15,90 Euro