Geht’s noch?
: Der Hype um die US-Wahl

Hillary Clinton und Donald Trump LIEFERTEN sich zum ersten Mal EIN TV-duell – und viele deutsche Medien drehEN DURCH

Am Dienstagmorgen kannten viele Onlinemedien nur ein Thema: das erste TV-Duell zwischen Donald Trump und Hillary Clinton. Im Voraus schon waren sich die meisten ReporterInnen einig, dass diese 90 Minuten „so bedeutungsvoll“ werden würden wie selten (Süddeutsche Zeitung), zur „100-Millionen-Show“ (Spiegel Online), die so viele Zuschauer wie „sonst nur der Super Bowl vor die Geräte“ ziehen wird (Welt Online).

Es waren dann am Ende nur 81 Millionen Zuschauer – immer noch mehr als jemals zuvor bei einem TV-Duell. Und trotzdem war der Hype, der in vielen deutschen Medien vor und nach der Debatte zu sehen und zu hören war, überdimensioniert. Spiegel und Spiegel Online hatten zusammen vier Reporter nach Hempstead geschickt, sueddeutsche.de tickerte live aus den USA und aus München.

Dieses Großaufgebot an Berichterstattern konnte sicherstellen, dass jeder Schnipsel der Debatte analysiert wurde: Wer was gesagt hat – im Minutenprotokoll, wer was behauptet hat – im Faktencheck, Hillarys Stärken, Trumps Schwächen – in der Videoanalyse, die Reaktionen aus der Welt – in der Presseschau, die Reaktionen aus dem Netz – in der Tweet- und GIF-Sammlung, die besten Zitate der Sendung – in einer Klickstrecke.

Was in der Nacht in Deutschland passiert ist – zwei Sprengstoffanschläge in Dresden –, hätte man dank der vielen US-Artikel am Mittwochmorgen beinahe überlesen. Das lag, zugegeben, auch an der Dresdner Polizei, die die Presse erst sehr spät über die Anschläge informiert hat. Trotzdem: Faktencheck, Reportage von vor Ort, Stimmen aus dem Netz? Liefen nur sehr langsam beziehungsweise gar nicht an – und das bei womöglich fremdenfeindlichen Sprengstoffanschlägen in dem Bundesland, wo seit Jahren Rechte marschieren und wo die Bundesregierung am Montag die deutsche Einheit feiern will.

Keine Frage, die US-Wahl ist wichtig. Aber so wichtig, dass sie seit Monaten die Topnachrichten dominiert, dass jede noch so kleine Dummheit, die Donald Trump absondert, auch hierzulande kommentiert wird und dass man nach „Super Thuesdays“ oder „Super-TV-Duell“ das Gefühl bekommt, es gäbe kein anderes Thema auf der Welt, nun auch wieder nicht. Anne Fromm