Virtuelle Währung Ein Mathematiker über die Abschaffung des Geldes und die Faszination steigender Kurse
: „Man wird unfreiwillig zum Zocker“

Bitcoin: Bitcoins sind eine digitale Währung. Erschaffen wurde sie 2008 von Satoshi Nakamoto, einem Phantom. Bekannt wurden Bitcoins vor allem als Zahlungsmittel im Darknet. Sie können als Währung im Netz benutzt werden, aber auch als Spekulationsobjekt.

Kurs: Lange dümpelte der Kurs vor sich hin, 2013 verzehnfachte er sich auf über 1.000 US-Dollar. Es folgte ein Absturz auf 200, derzeit steht er bei 600. Manche hoffen auf Kurse jenseits der 10.000 Dollar. Denn die Anzahl von Bitcoins ist auf 21 Millionen beschränkt, im Jahr 2140 wird der letzte Bitcion ausgegeben.

Technologie: Das Herz des Bitcoin-Systems ist die Blockchain, eine gigantische Datenbank, in der alle bisherigen Transaktionen verzeichnet sind. Die Blockchain ist verteilt auf allen Rechnern im System. Das verspricht Transparenz und Anonymität. Theoretisch können mit der Blockchain-Technologie auch andere Geschäfte abgewickelt werden. Banken und Versicherungen arbeiten bereits an eigenen Systemen. (pw)

Interview Paul Wrusch

taz.am wochenende: Herr Keller, wie nutzen Sie Bitcoins?

Levin Keller: Ich lege mein Geld darin an. Und wenn ich was kaufen will, veräußere ich Bitcoins zu Euro. Das ist bei den meisten so: Ihre Bitcoins liegen einfach da. Und man sieht ja auch, dass der Bitcoin-Kurs etwa nach dem Brexit stark gestiegen ist. Es ist also eine Möglichkeit, in Zeiten der Unsicherheit sein Geld anderweitig anzulegen.

Und wie sind Sie dazu gekommen?

Ich habe Mathematik in Bonn studiert und Bitcoins 2011 im Studium kennengelernt. Ein paar Kommilitonen hatten sich darüber lustig gemacht, dass der Bitcoin gecrasht sei. Damals ist der Kurs von wenigen Cent auf 30 Dollar gestiegen, dann wieder schnell auf 2 Dollar gefallen. Ich dachte, da steckt ein Betrug dahinter, und wollte herausfinden, wie das funktioniert. Aber dann habe ich verstanden. Ich habe selbst Bitcoins „geminet“ (siehe Grafik, d. Red.) und später auch gekauft.

Haben Sie Bitcoins auch als Währung verwendet?

Nicht so richtig. Wobei – bei meinen Nachbarn konnte man sich Bier aus der Kiste nehmen und entweder einen Euro zahlen oder einen halben Bitcoin . . .

. . . heute wäre das Bier etwa 300 Euro wert . . .

. . . damals war es etwas über einen Euro.

2013 kam es erneut zu einer Kursexplosion: in einem Jahr von 10 auf über 1.000 Dollar. Sind Sie reich geworden?

Reich nicht, aber das Geld hat genügt, um meinen Job in München zu kündigen, nach Berlin zu ziehen und mich selbstständig zu machen. Seither beschäftige ich mich nur noch mit Bitcoins, zudem berate ich Start-ups.

Man kann mit dem Bitcoin fast nichts kaufen. Warum also überhaupt damit beschäftigen?

Manche sagen ja, Bitcoin sei Geld. Letztlich ist das aber egal. Bitcoin ist ein begrenztes Gut. Der Hauptzweck ist also sparen. Und allein deshalb müsste es doch gerade für die Deutschen interessant sein.

Wird der Bitcoin im Alltag irgendwann wichtiger?

Das System Bitcoin ist prinzipiell nicht dafür ausgelegt, dass jeder sein Bier im Späti damit bezahlt, das gibt die Netzwerkkapazität gar nicht her. Bitcoin ist noch immer ein Experiment, ein bisher sehr gelungenes. Es ist aber nicht dafür gedacht, wenigstens in der aktuellen Variante, das globale Finanzsystem zu ersetzen.

Liegt das auch an den Enthusiasten selbst, dass die Anwendungsmöglichkeiten noch begrenzt sind?

Ja. Viele zahlen nicht gern mit Bitcoins, weil sie glauben, dass der Kurs stark steigen wird. Sie wollen ihre Bitcoins behalten.

Der Kurs ist sehr volatil, im letzten Jahr hat er sich wieder verdreifacht, steht jetzt bei etwa 600 Dollar. Einige hoffen auf 10.000-Dollar-Kurse.

Das sind natürlich Träumereien. Aber es macht schon Spaß zu sehen, wie der Kurs hochgeht, nachdem du gekauft hast. Man wird unfreiwillig zum Zocker, wenn man Bitcoins kauft. Man kann aber auch verlieren, wenn man etwa bei 1.000 Euro gekauft hat. Die Kursschwankungen sind ein Problem. Aber das sind die Nachwehen. Zu Beginn war der Kurs viel volatiler, jetzt ist er relativ stabil und der Trend geht eindeutig nach oben. Es gibt keine Gründe, weshalb er noch mal stark absinken sollte. Es bleibt aber eine hochriskante Anlage.

Wenn der Bitcoin nicht dafür gedacht ist, damit sein Bier zu kaufen, was ist dann die Vision?

Levin Keller

ist studierter Mathematiker und beschäftigt sich seit 2011 mit Bitcoins. Seit 2013 ist er selbständig in Berlin tätig. Er ist im Vorstand des Bundesverbands Bitcoin e. V.

Bitcoin ist angetreten, um das Finanztransaktionssystem zu ersetzen, also den Markt transparent zu machen. Und natürlich als Kampfansage an das inflationäre Geldsystem – durch die eingebaute Beschränkung auf 21 Millionen Bitcoins. Konkret stelle ich mir vor, dass es viele verschiedene Coins gibt. Den Berlin-Coin, Unternehmenscoins und so weiter. Und man kann die einzelnen Coins in Bitcoins tauschen. So entsteht ein privater, freier Markt. Dafür gibt es keine Präzedenzfälle, bisher ist privates Geld ja verboten. Mit dem Bitcoin wurde eine Spielwiese geschaffen, an die der Staat nicht rankommt und auf der wir experimentieren können.

Der Bitcoin hatte lange ein schlechtes Image.

Hat er bis heute. Die ersten, die Bitcoin benutzt haben, waren Kriminelle. Das ist aber auch nicht schlimm. Bargeld wird auch von Kriminellen genutzt. Beim Bitcoin aber werden Banken, Staaten, Versicherungen auf einmal sensibel. Sie wollen sich nicht damit assoziieren, finden vielleicht die Blockchain, also die Technologie dahinter, interessant, wollen mit dem Bitcoin selbst aber nichts zu tun haben.

Warum sollte sich also jeder mit dem Bitcoin beschäftigen?

Ich würde gar nicht sagen, dass das jeder machen sollte. Wenn jemand ein Freund von Eigenverantwortung ist und etwas Geld hat zum Sparen, dann sollte er sich das angucken. Der Hauptgrund ist, dass es richtig viel Spaß macht. Du hast da die Wallet, bekommst zum ersten Mal Bitcoins und kannst sie innerhalb einer Sekunde um die Welt verschicken. Das dauert sonst mehrere Tage oder ist sehr teuer. Das ist gerade für junge Leute, die international unterwegs sind, oft ein Aha-Erlebnis.

Was passiert mit dem Bitcoin in fünf bis zehn Jahren?

2011 hätte ich gesagt: Der Bitcoin hat dann das Finanzsystem abgelöst. Das war aber naiv. Ich denke, dass mehr Retail-Banking über Blockchain abgewickelt wird. Und ich glaube persönlich, dass der Bitcoin massiv im Wert steigen wird.