Nach Incirlik fliegen, Affäre beenden

Soldatenbesuch Vier Monate nach der Armenienresolution reisen Bundestagsabgeordnete in die Türkei

BERLIN taz | Es ist eine Reise mit besonderer Erwartungshaltung: Sieben deutsche Bundestagsabgeordnete aller Fraktionen sollen während ihres dreitägigen Aufenthalts in der Türkei schaffen, was derzeit kaum möglich scheint in den zerrütteten deutsch-türkischen Beziehungen: Normalität herstellen – und eine viermonatige Affäre um den Besuch in der Türkei stationierter BundeswehrsoldatInnen beenden.

Am Dienstag reisten die Mitglieder des Verteidigungsausschusses nach Ankara, um mit türkischen AmtskollegInnen und RegierungsvertreterInnen Gespräche zu führen. Dort soll es unter anderem um die Aufarbeitung des Putschversuches gehen. Am Montag hatte die türkische Regierung den Ausnahmezustand im Land um 90 Tage verlängert. „Für uns ist wichtig: Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit, Verhältnismäßigkeit, Augenmaß“, stellte Delegationsleiter Karl Lamers (CDU) klar. Ob die Abgeordneten auch andere strittige Themen wie den Umgang mit der kurdischen Minderheit oder den bröseligen Flüchtlingsdeal angesprochen haben, war zum Redaktionsschluss nicht bekannt.

Der eigentliche Zweck der Reise folgt eh an Tag zwei: Am Mittwoch treffen die Abgeordneten auf dem Luftwaffenbasis Incirlik im Südosten des Landes ein, wo 250 BundeswehrsoldatInnen stationiert sind. Formell wollen sich die Abgeordneten ein Bild vom Einsatz der deutschen SoldatInnen und ihrer Bündnispartner gegen den IS machen. Noch in diesem Jahr will der Bundestag über die Mandatsverlängerung für „Operation Counter-Daesh“ entscheiden, die die Bundeswehr mit Tornado-Aufklärungsflügen unterstützt. Am dritten Tag steht noch der Besuch des Nato-Stützpunktes in Izmir an.

Der drängendere Grund des Besuchs: Türkei und Deutschland wollen die unliebsame Affäre ausräumen, die die Armenienresolution nach sich zog. Weil der Bundestag Anfang Juni die Verbrechen an den Armeniern im Osmanischen Reich als Genozid bezeichnete, untersagte die Türkei deutschen Abgeordneten den Besuch in Incirlik. Erst als die Bundesregierung die Resolution als „rechtlich nicht bindend“ bezeichnete – und sich von der Opposition den Vorwurf der Erpressbarkeit einfing – gab die Türkei grünes Licht für den Besuch.

Dementsprechend hofft Delegationsleiter Lamers, eine Selbstverständlichkeit wiederherstellen zu können: „Wenn das jetzt auch bei unserem Nato-Partner Türkei wieder möglich ist, dann ist das die Wiederherstellung eines Stücks Normalität.“ Ein anderes Ziel hat der Delegierte der Linkspartei Alexander Neu: „Ich werde der türkischen Regierung meine Bewunderung ausdrücken, dass sie es geschafft hat, die Bundesregierung am Nasenring durch die Arena der internationalen Politik zu ziehen“. Ralf Pauli