Reue des Referees

VERPFIFFEN Nach der Niederlage des BVB muss sich Schiedsrichter Stark entschuldigen, weil sein Fehlentscheidung das Spiel entschied

„Bei elf gegen elf gibt es nur einen Sieger, da gibt es kein Vertun“

JÜRGEN KLOPP

AUS DORTMUND FELIX MEININGHAUS

Selten war der Aufmacher eines Stadionheftes treffender: „Schmelzers bewegtes Jahr“, titelte das Magazin Echt vor dem Heimspiel von Borussia Dortmund gegen den VfL Wolfsburg. Die Geschichte des Nationalspielers, der von Bundestrainer Joachim Löw öffentlich infrage gestellt wurde, um dann im Spiel gegen Real Madrid aufzustehen, ist tatsächlich bemerkenswert. Nun ist sie um eine Facette reicher, die sich alle Beteiligten am liebsten erspart hätten. Der Außenverteidiger war einer von zwei Protagonisten, die beim 2:3 des BVB gegen das Team aus der Autostadt im Fokus standen.

Es war die Szene des Spieltags, als Schmelzer in der 36. Minute einen Schuss von Bas Dost auf der Linie klärte. Mit dem Knie und dem Oberschenkel und nicht mit der Hand, wie die Fernsehbilder zweifelsfrei belegten. Schiedsrichter Wolfgang Stark hatte das anders gesehen und wurde damit zum zweiten Hauptdarsteller in einer Geschichte, die er nur zu gern umschreiben würde. Stark gab Elfmeter und verwies Schmelzer des Feldes. Das, was die Männer in Schwarz unter allen Umständen vermeiden wollen, war geschehen: Ein Pfiff lenkte das Spielgeschehen in eine völlig andere Richtung. „Bei elf gegen elf gibt es nur einen Sieger, da gibt es kein Vertun“, sagte BVB-Trainer Jürgen Klopp: „Bis zum Platzverweis hatte Wolfsburg nicht eine Sekunde Zugriff aufs Spiel.“

Nach dem Studium der Fernsehbilder warf Stark sich das Büßergewand über. Sein Pfiff beruhe auf einem „Wahrnehmungsfehler“, sagte der Fifa-Schiedsrichter. Es tue ihm leid, sagte Stark, „solche Fehler passieren, aber sie dürfen nicht passieren“.

Wie die Dortmunder mit der spielentscheidenden Benachteiligung umgingen, hatte Klasse. Und das lag in erster Linie am Krisenmanagement ihres Trainers. Noch auf dem Spielfeld gab Klopp seiner Mannschaft die Anweisung, sich zu den Vorgängen nicht zu äußern. Die Spieler hielten sich an das Schweigegelübde, und so konnte niemand verbal aus der Rolle fallen. Dafür äußerte sich der Trainer, der einräumte, solch ein Fehler sei „menschlich, auch wenn das für uns brutal hart war“. Seinen zu Unrecht sanktionierten Spieler schlug der 45-Jährige für höhere Weihen vor. Für sein Verhalten nach der Roten Karte „kriegt er den Friedensnobelpreis. Marcel hat einmal gebrüllt: ‚Das war kein Hand!‘, und dann hat er sich ohne einen Mucks davongemacht.“

Im Normalfall zieht eine solche Entscheidung zwingend eine Sperre von mindestens einem Spiel nach sich, doch der DFB-Kontrollausschuss hat bereits angekündigt, auf Einstellung des Verfahrens zu plädieren. Zweimal schon wurde in der Bundesliga-Geschichte eine Rote Karte rückgängig gemacht. 2001 wurde Sergej Barbarez vom HSV nach einem Feldverweis freigesprochen, zwei Jahre später auch Bayern-Profi Hasan Salihamidzic. In beiden Fällen hatten die Referees ihre Fehlentscheidungen eingeräumt. Die Gerechtigkeit könnte also doch noch siegen in Dortmund.