: Ein unversöhnliches Herz
Komödie Luca Medicis Film „Der Vollposten“ zeigt großartig, dass ein Mangel an Subtilität nicht mit einem Mangel an Raffinesse einhergehen muss
In diesem Fall hat es der deutsche Verleih richtig gemacht: Er hat den lateinischen Originaltitel „Quo vado?“, den – o tempora, o mores! – in seinem Anspielungsreichtum heute niemand mehr versteht, in den schlichten „Der Vollposten“ verwandelt. Das ist zwar keine gute Übersetzung für das, was dem zentralen Filmhelden Checco am wichtigsten ist, die „Festanstellung“ („posto fisso“). Aber „Der Vollposten“ hat den Vorteil, dass er sich fürs eilige Auge wie „Der Vollpfosten“ liest. Und damit kommt man der Sache schon näher. Denn als erfolgreichste Komödie Italiens gilt für Checco Zalone und sein Werk ganz Ähnliches wie für sein deutsches Pendant Bully Herbig: Subtilität ist nicht seine Stärke.
Aber der Gewinn aus Subtilität wird oft überschätzt, zumindest in Bezug auf Humor. Da kann nämlich auch das Grobe durchaus effektvoll sein. Wenn Zalone am Anfang des Films zu den Klängen des Italohits „Felicità“ das Glück des Beamtendaseins illustriert, liegt der Erfolg in der derben Überzeichnung: lauter Amtsstuben, in denen gut gelaunte Menschen Kaffee trinken, Kuchen essen und plaudern. Fast wünscht man sich, es würde auf Berliner Bürgerämtern so glücklich zugehen.
„Der Vollposten“ also handelt von Checco, dessen Lebensinhalt die Festanstellung in der Behörde ist, wo man wenig tun muss, dafür aber fürstlich von seiner „Kundschaft“ entlohnt wird. Nein, es ist keine Bestechung, erklärt Checco geduldig, wenn ihm der Jagdschein-Antragsteller eine Wachtel mitbringt, schließlich tut er es freiwillig und erst nach erfolgter Genehmigung. Doch dann wird das perfekte Glück, das Checco natürlich dank „Vitamin B“ erlangt hat, von einer Verwaltungsreform bedroht. Man stellt ihn und seinesgleichen vor die Wahl: entweder Auflösungsvertrag mit Abfindung oder Versetzung in entlegene Gegenden. Checco will standhaft bleiben. Erst als es zum Nordpol geht, wird ihm mulmig, doch dann begegnet er dort Valeria (Eleonora Giovanardi), und siehe da, das italienische Mamasöhnchen lernt so zivilisatorisch fortgeschrittene Verhaltensweisen wie Mülltrennen, Schlangestehen und sich um die Kinder zu kümmern, die seine Gefährtin von anderen Männern hat. Eine der schwersten Übungen für ihn bleibt es, an der roten Ampel zu warten, ohne den Vordermann anzuhupen.
Checco Zalone ist das Alter Ego des in Bari geborenen Komikers Luca Medici. In „Der Vollposten“ nutzt er ihn bereits zum vierten Mal, um seinen Landsleuten satirisch im Kino den Spiegel vorzuhalten. Von Film zu Film hatte er mehr Erfolg. „Quo vado“ schließlich konnte das höchste Kassenergebnis in der Geschichte Italiens einfahren und schloss in Besucherzahlen dicht zu den alten Erfolgen von Terrence Hill und Bud Spencer auf. Was auch deshalb erstaunlich ist, weil im Herz dieser vermeintlichen Grobkomödie ein überraschend unversöhnliches Herz schlägt. „Der Vollposten“ ist ein gutes Beispiel dafür, dass der Mangel an Subtilität nicht mit einem Mangel an Raffinesse einhergehen muss. Zalones Grobhumor kommt ohne Fäkalwitze aus, er spielt mit anderen Peinlichkeiten, etwa wenn er die Rahmenhandlung in einem Afrika voller halbnackter, aber des Italienischen mächtiger Kannibalen spielen lässt. (Bekanntlich beginnt Afrika für den italienischen Spießer gleich südlich von Rom.) Seine Raffinesse liegt darin, dass er das italienische Klischee durchaus als unsympathische Gestalt gibt, das trotz Happy-End nicht zu retten ist, es sei denn durch das Bemühen, ein bisschen anders zu werden: toleranter, offener, altruistischer. Barbara Schweizerhof
„Der Vollposten“. Regie: Luca Medici. Italien 2016, 86 Min.
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