Nachruf
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Tod mit 96: Zeuge von Auschwitz, Max Mannheimer Foto: dpa

Der nicht hassen konnte

Lebenslang trug er am linken Unterarm die eintätowierte Häftlingsnummer aus Auschwitz 99728. „Opa, warum hast du so eine Nummer“, fragte einmal eine seiner Enkelinnen. Es sei seine Telefonnummer, antwortete er. So behutsam, wie Max Mannheimer das Kind vor der Konfrontation mit dem Tod schützte, so schonungslos war er gegenüber sich selbst. Der Überlebende erzählte immer wieder in furchtbaren Details von seinem Martyrium.

Noch im hohen Alter trat Mannheimer vor Schulklassen auf und ließ sich von Studenten befragen. Er sprach vor Kongressen und Seminaren und brachte es fertig, dass Angela Merkel als erste Bundeskanzlerin die Gedenkstätte Dachau besuchte. Er war Vizepräsident des Internationalen Dachau-Komitees und Vorsitzender der Lagergemeinschaft Dachau. Sein Credo an die Jugend lautete: „Ihr seid nicht verantwortlich für das, was geschah. Aber dass es nicht wieder geschieht, dafür schon.“

Der 1920 Geborene wuchs in Neutischein in der Tschechoslowakei auf. Nach dem „Anschluss“ des Sudetenlands an Hilters Reich 1938 musste er mit seiner jüdischen Familie flüchten. Anfang 1943 sperrten die Nazis die Familie ins Getto Theresienstadt ein. Von dort folgte die Deportation nach Auschwitz. Mannheimers Eltern, seine Frau, seine Schwester und ein Bruder wurden dort ermordet.

Sein Leidensweg führte Mannheimer bis in das Außenlager Mühldorf des KZ Dachau. Die Amerikaner befreiten ihn und seinen Bruder Edgar am 30. April 1945. Da litt Mannheimer an Typhus, wog noch 47 Kilogramm und wollte Deutschland für immer verlassen.

Doch er kam 1946 zurück, der Liebe wegen. Mannheimer heiratete die deutsche Widerstandskämpferin Elfriede Eiselt, ließ sich als Kaufmann in München nieder – und schwieg. Erst 1964, nach dem Tod seiner Frau, schrieb Mannheimer seine Geschichte auf. Eigentlich sollte der Text nur für seine Tochter sein, doch dank der LeiterInnen der Gedenkstätte Dachau wurde er veröffentlicht. So begann ein neues Leben als Mahner und Zeitzeuge. „Ich kann nicht hassen“, sagte er einmal.

Max Mannheimer ist am vergangen Freitag in Dachau verstorben. Er wurde 96 Jahre alt. Klaus Hillenbrand