Konzerne sollen Roaming kontrollieren

EU Kommission will Telefonieren im Ausland nicht mehr zeitlich begrenzen. Aber es gibt neue Kritik

BERLIN taz | Endlich wieder eine gute Nachricht über Europa hatte sich Jean-Claude Juncker gewünscht. Deshalb hatte der EU-Kommissionspräsident darauf gedrängt, dass seine Behörde endlich präzisiere, wie ein im vergangenen Jahr gemachtes Versprechen zum Gesetz wird: im EU-Ausland telefonieren – ohne dass es richtig teuer wird.

Und dann hatte Günther Oettinger Anfang September doch alles vermasselt: Weil es in der EU zunächst nur mindestens 90 Tage Roaming im Jahr ohne Mehrkosten geben sollte, war der Digitalkommissar von Medien und Verbraucherschützern verbal verprügelt worden. Oettinger war blamiert – und zog deshalb seinen Vorschlag zurück.

„Wir wollen, dass Roaming auf Dienst- und Urlaubsreisen ohne zeitliche Begrenzung ohne Zuschläge möglich ist“, sagte er nun am Mittwoch bei der Präsentation einer neuen Regelung. Das gebührenfreie Roaming solle Mitte Juni 2017 starten.

Das Problem, dass sich Nutzer mit Verträgen aus günstigen EU-Staaten eindecken und damit dauerhaft in Hochpreisländern telefonieren, will die Kommission nun der Kontrolle durch die Konzerne überlassen. Die Nutzung einer SIM-Karte mit Roamingfreiheit soll künftig an den Wohnsitz gebunden sein. Bei vermutetem Missbrauch soll der Telekomanbieter den Nutzer vorwarnen und mit Zusatzkosten belegen dürfen.

„Wir haben unterschiedliche Preise in Europa“, sagte Oettinger. Es dürfe nicht dazu kommen, dass sich jemand eine SIM-Karte in Lettland kaufe, sie aber nur in Irland nutze. Hier ist Telefonieren sechseinhalbmal so teuer wie in Lettland. „Das lettische Telekomunternehmen wäre dann nach wenigen Tagen pleite“, sagte Oettinger.“

Kritiker sprachen dennoch von mehr Überwachung durch Konzerne. „Wenn ein Anbieter beschließt, dass man im Ausland unverhältnismäßig viel telefoniert oder streamt, kann er ganz einfach Strafzahlungen einfordern“, sagte der grüne EU-Abgeordnete Michel Reimon. Der Europäische Verbraucherverband Beuc hingegen begrüßte den neuen Plan. Es sollten nicht alle Verbraucher für den hypothetischen Missbrauch einiger weniger bestraft werden.

Kai Schöneberg