Wie Hetzmusik wirkt

Rechtsradikale CDs finden ihren Weg in die Schulen. Das Nordwestradio sendete aus der Gesamtschule Mitte eine Stunde über Neonazi-Mucke

Jugendliche sind gerade über Musik für Botschaften empfänglich

Bremen taz ■ Sie heißen DJ Adolf, Störkraft, Endstufe oder Kraftschlag. Von Hardrock bis HipHop decken sie alle Musikrichtungen ab. Ihre Songs sind auf kostenlosen CDs zu haben, die von der NPD an Jugendliche verteilt werden. Ob und wie die Hetzmusik Jugendliche beeinflusst und was man dagegen tun kann, diesen Fragen widmete das Nordwestradio gestern eine Live-Sendung – in der Turnhalle der Gesamtschule Mitte.

Zwar kam das Thema bei den Jugendlichen an, die Nordwestmusik allerdings nicht. Bei den Wortbeiträgen hörten die meisten aber wieder interessiert zu, immerhin durften zwei ihrer Mitschülerinnen ans Mikro. Die Zehntklässlerinnen Lea Schwagereit und Mari Lena Rapprich engagieren sich in der Arbeitsgemeinschaft „Schule ohne Rassismus“, haben sich hier mit rechter Musik beschäftigt und erzählten, wie sie wirkt. Lea Schwagereit: „Auf den CDs gibt es sogar Balladen. Wenn man nicht darauf achtet, fällt einem gar nicht auf, dass es rechtsradikale Musik ist.“ So könne das rechte Gedankengut sehr subtil wirken, meinte Cornelius Peltz, Soziologe und Experte für Rechtsextremismus.

Neonazi wird man nicht vom Hören allein. „Das ist eine lange Entwicklung“, so Andrea Müller, Leiter der Jugendbildungsstätte Lidice-Haus, Jugendliche seien auf der Suche nach sich selbst – Ausgang offen.

Rechtsextremismus-Experte Daniel Rosenbaum dazu: „Das sind Jugendliche, die Integration und Anerkennung suchen.“ Rosenbaum betreut rechte Jugendliche mit dem Verein zur Förderung akzeptierender Jugendarbeit. Er beobachtet, wie viele Kids in der Clique einfach das nachmachen, was einer vormacht. Das Gefährliche sei, dass vermeintlich linke Musik wie Punkrock einfach umgedreht würde. Dadurch kommen Jugendliche unbewusst in Kontakt mit Rechtsextremismus.

Soziologe Peltz betonte, dass Bremen eine Hochburg in Sachen rechte Musik sei. Die alteingesessene Nazi-Band Endstufe stammt aus der Hansestadt, eine rechte Hooligan-Szene sei sehr aktiv, auch wenn sie in der Stadt wenig wahrgenommen werde. Das könnte an der großen linken Szene in der Hansestadt liegen. Peltz: „Die Leute verlassen sich auf die antifaschistische Kultur, während die Rechten in ruhigen Gewässern im Untergrund arbeiten und ihre Leute im Bremer Umland aktiv werden.“ Im vergangenen Jahr, so der Experte, habe es in Deutschland rund 150 Rechtsrock-Konzerte gegeben, einige davon im Bremer Umland und nicht wenige mit mehr als 800 TeilnehmerInnen.

Wie gefährlich die rechte Musik wirklich ist, das konnten die Experten allerdings nicht genau sagen. Fest steht: Jugendliche sind gerade über Musik für Botschaften empfänglich. Peltz betonte aber, dass die Musik nicht dämonisiert werden dürfe. Er schlug vor, Werte wie Demokratie und Gerechtigkeit attraktiv zu machen: „Es ist cool, Demokrat zu sein. Auch wenn Angela Merkel und Gerhard Schröder es nicht sind.“ Tina Groll