Klimarettung kommt, aber später

ABSCHLUSS Die Konferenz in Doha endet mit einem Minimalkompromiss. Die Verhandlungen werden vereinfacht, die Probleme vertagt

„Für euch geht es darum, wie gemütlich ihr lebt. Für uns darum, ob wir leben“

DELEGIERTER AUS NAURU

AUS DOHA BERNHARD PÖTTER

Vor zwei Jahren Bolivien, letztes Jahr Indien, diesmal Russland: Wer bei der Klimakonferenz nach nächtelangen Verhandlungen den Prozess blockiert, wird übergangen. 18 Stunden und 47 Minuten nach dem offiziellen Ende der 18. UN-Klimakonferenz in Doha knallte der Vorsitzende Abdullah Bin Hamad al-Attijah im Sitzungssaal den Hammer auf das Podium und verkündete: „Keine Gegenstimmen, das Paket ist so beschlossen!“

Im Applaus der übernächtigten Delegierten meldete sich der russische Verhandlungsführer Oleg Schamanow zu Wort: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie mich nicht gehört haben, Herr Vorsitzender“, beschwerte er sich. „Es gibt kein echtes Abkommen. Wir sind enttäuscht.“ Al-Attijah, Vizepremierminister in Katar, brummte da nur noch: „Mein russischer Freund, ich habe Ihre Bemerkung gehört und nehme sie zu Protokoll.“

In der Vollversammlung der Klimakonferenz, wo der Zwang zur Einstimmigkeit herrscht, wurde Russlands Ablehnung einfach übergangen. Immerhin hatte die russische Delegation stundenlang die Konferenz blockiert; noch am Samstag sah es nach einem Scheitern der Konferenz aus. „Mit Leuten aus dem Westen muss man tanzen, mit Leuten aus dem Osten boxen“, hatte es bei al-Attijahs Beratern bei den Verhandlungen geheißen. In seinen Gesprächen mit den Russen hielt sich al-Attijah daran.

Russland wollte ebenso wie die Ukraine und Weißrussland dafür belohnt werden, dass sie unter dem Kioto-Protokoll mehr Verschmutzungszertifikate angehäuft haben, als sie brauchen. Doch weil sie nicht mehr beim Kioto-Protokoll mitmachen, verfallen auch die Zertifikate. So sicherten die EU und ihre wenigen verbliebenen Partner die „ökologische Integrität“ des Klimaschutz-Abkommens wenigstens ein bisschen.

Das vollmundig „Doha Climate Gateway“ getaufte Paket besteht vor allem darin, den Prozess der Klimaverhandlungen zu entrümpeln: Statt der bisher drei parallelen Verhandlungspfade wird es künftig nur noch einen geben: Die „Durban Plattform“, die vor einem Jahr beschlossen wurde und bis 2015 zu einem umfassenden globalen Klimavertrag führen soll, der bis 2020 in Kraft treten soll.

In Doha wurde für das Kioto-Protokoll eine zweite Verpflichtungsperiode bis 2020 beschlossen und der sogenannte LCA-Track geschlossen, auf dem seit dem Ausstieg der USA aus dem Kioto-Protokoll parallel mit den Amerikanern verhandelt worden war. Übrig bleiben jetzt nur noch Gespräche, bei denen alle Länder an einem Tisch sitzen. Anders als im Kioto-Protokoll und dem LCA-Track akzeptieren alle Länder im Grundsatz, dass nicht nur die Industriestaaten, sondern auch Schwellenländer wie China, Indien oder Südafrika sich zu Emissionsreduzierungen verpflichten müssen.

Die Europäer haben damit ihr Minimalziel erreicht. „Wir sind über die Brücke zu einem neuen Regime im Klimaschutz gegangen“, sagte EU-Klimakommissarin Connie Hedegaard. Alle hätten Kompromisse machen müssen und es habe einen „reichen Austausch der Ideen gegeben“. Darunter fielen auch die langen Gespräche mit den Polen, die sich ähnlich wie Russland wegen ihrer überschüssigen Zertifikate gegen einen Kompromiss gesträubt hatten.

Bundesumweltminister Peter Altmaier spürte „Solidarität und neue Zuversicht“ unter den Kioto-Staaten. Er lobte die Verhandlungsführung der Kataris, die zwischenzeitlich von vielen Seiten als zu nachgiebig kritisiert worden war, und nannte die Konferenz ein „gutes Signal für den Klimaschutz“. Das muss man in den verabschiedeten Texten allerdings sehr genau suchen. Denn trotz aller Proteste von Umweltgruppen und trotz Altmaiers Versprechen, für 30 Prozent „bis zum Schluss zu kämpfen“, blieben die EU-Staaten bei ihrem mageren Versprechen, bis 2020 ihre Emissionen um 20 Prozent zu reduzieren. Allerdings soll es 2014 eine Überprüfung geben, wie nah die Industriestaaten beim Klimaschutz ihrem Ziel von mindestens 25 Prozent weniger Emissionen bis 2020 gekommen sind. Auch daher äußerten sich Umweltverbände enttäuscht über die Konferenz. „Das Kioto-Abkommen ist nur noch eine leere Hülle“, sagte etwa der Vorsitzende des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Hubert Weiger. Und der Chef des Naturschutzbundes Deutschland, Olaf Tschimpke, kritisierte, dass die EU ihre Führungsrolle im Klima- und Ressourcenschutz eingebüßt und Partner in den Entwicklungsländern enttäuscht habe.

Tatsächlich bewilligten die Europäer statt der geforderten 60 Milliarden Dollar Finanzhilfen für die Entwicklungsländer nur etwa sieben Milliarden für die nächsten ein bis zwei Jahre, vieles davon ist umgewidmete Entwicklungshilfe. Die USA hatten sich geweigert, eine feste Zahl zu nennen, aber versichert, sie würden weiter Hilfe leisten.

Die Entwicklungsländer hatten auch gefordert, die „heiße Luft“ gänzlich bis 2020 zu streichen, jetzt wird sie in der EU vollständig übernommen, darf allerdings nicht für den Emissionshandel eingesetzt werden.

Vor der Konferenz hatten das UN-Umweltprogramm, die Weltbank und Forschungsinstitute gewarnt, dass die Welt bei den jetzigen Emissionen bis zum Jahr 2100 nicht auf einen Klimawandel von zwei, sondern von drei bis fünf Grad zusteuert. „Zusammen müssen wir die Geschwindigkeit erhöhen, die Welt braucht das jetzt mehr als zuvor“, sagte Klimakommissarin Hedegaard in der Vollversammlung. Der Delegierte des Inselstaats Nauru formulierte es so: „Für euch geht es darum, wie gemütlich ihr lebt. Für uns darum, ob wir leben.“