kommentar von Kai von Appen Über einseitige Strafverfolgung
: Der Druck einen Täter zu präsentieren

Es ist Aufgabe der Ermittler, auch Entlastendes für den Beschuldigten zu ermitteln

Es ist die Pflicht von Polizei und Staatsanwaltschaft, bei dem Verdacht einer Straftat eben diese aufzuklären. So will es der Rechtsstaat – auch bei einem Sexualdelikt. Dazu gehört es, gegen einen Verdächtigen zu ermitteln. Dabei gehört es aber auch zur Pflicht, Entlastendes für den Beschuldigten zu berücksichtigen.

Nach den massiven sexuellen Übergriffen auf Frauen in der Silvesternacht in Hamburg und Köln herrschte eine aufgeheizte Stimmung – die Polizei war scharfer Kritik ausgesetzt, da sie den Täterkreis nicht klar benannte, um der Stigmatisierung von Flüchtlingen keinen Vorschub zu leisten. Was eigentlich lobenswert ist, hat sich ins Gegenteil gekehrt. Denn gerade das nahmen die Medien und Rechtspopulisten zum Anlass, pauschal allen Flüchtlingen Frauenverachtung zu unterstellen Viele Ermittler haben sich diesem medialen Druck gebeugt. Sie mussten Erfolge präsentieren und vor allem mögliche Täter, die diesem Täterprofil entsprachen.

So verbrachte in Hamburg ein 30-Jähriger Afghane fünf Monate in Haft, weil er eine 19-Jährige Studentin auf St. Pauli sexuell genötigt haben soll. Die Polizei hatte sich viel Mühe gegeben, einen Mann als Täter zu präsentieren. Erst in der Gerichtsverhandlung konnte herausgearbeitet werden, dass der Angeklagte nach allen Schilderungen der Studentin nie der Täter gewesen sein konnte. Er war nämlich viel zu klein, was die Polizei spätestens nach seiner erkennungsdienstlichen Behandlung wusste, aber offenkundig ignorierte, um einen Täter zu haben. Und auch bei der mutmaßlichen Vergewaltigung im Arriba-Erlebnisbad drängt sich der Verdacht auf, dass die Polizei nach den Schlagzeilen nur ein Ergebnis vorzeigen wollte, statt den Sachverhalt aufzuklären.

Die Ermittler dürfen aber Beweise, die gegen die Verdächtigen sprechen nicht ignorieren. Und wenn es Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Opfer gibt, sollte das schon vor der Gerichtsverhandlung berücksichtigt werden. Das schützt die Opfer und erspart den Beschuldigten ungerechtfertigte Untersuchungshaft.