Ein gutes Rezept

Gastronomie Über 250 Küchenchefs engagieren sich für Fairness in ihren Restaurants und Cafés. Bioqualität und Nachhaltigkeit sind schon seit vielen Jahren große Themen in der Branche. Doch der dritte Aspekt rundet das Konzept erst so richtig ab

von Michael Pöppl

Wann genau Jan-Patrick Timmer auf die Idee von den Green Chefs kam, weiß er nicht mehr genau: „Mit dem Thema Fairness und Nachhaltigkeit habe ich mich schon immer beschäftigt.“ Seit mehr als 15 Jahren ist der PR-Fachmann im Bereich Gastronomie und Lebensmittel tätig. Immer wieder fiel ihm auf, dass Fairtrade und Bio „bei den Großen der Branche“ diskutiert wurden. Allein in Deutschland gibt es über 140.000 kleine gastronomische Betriebe, die inhabergeführt sind.

„Es gibt immens viele Bereiche, vom fairen Einkauf bis zur Energieeffizienz, die den Gastronomen zugleich ökologische und ökonomische Vorteile bringen“, so Timmer. Zusammen mit Gleichgesinnten rief er im Juni 2015 die Green Chefs auf den Plan, eine Organisation, die sich die Nachhaltigkeit in der Gastronomie auf ihre Fahnen geschrieben hat. Vier Eckpunkte sind für die beteiligten Wirte unabdingbar: Regionale und faire Produkte, respektvoller Umgang mit den Waren, Umweltbewusstsein in allen Bereichen und faire Arbeitsbedingungen. „Es sollte auch darum gehen, nach außen zu zeigen: Bei uns isst du nachhaltig und fair“, so Timmer. Bis heute haben sich bereits mehr als 250 Gastronomen aus dem ganzen Bundesgebiet, aber auch aus Österreich und der Schweiz der kostenlosen Initiative angeschlossen.

Green Chefs zeigt im Internetblog, wie sich Gastronomen über nachhaltige Ideen ihrer Kollegen informieren können, vernetzt sie untereinander und zeigt interessierten Gästen per Restaurantfinder, welche Köche sich der Nachhaltigkeit verpflichtet haben.

Einer der „Pioniere“ ist Klaus Lange, im Hamburger Stadtteil Ahlstedt betreibt er zusammen mit seiner Frau Susanne Das Caféhaus. In der eigenen Ausbildung als Konditor stieß ihm auf, wie schlecht in der Gastronomie mit Ressourcen und Menschen umgegangen wird: „Das wollte ich von Anfang an vermeiden, als ich mich selbstständig machte“, sagt Lange. Er holte sich bereits in den 80er Jahren Rat von Energieberatern, als Kollegen noch darüber lachten, und baute einen Wärmetauscher für die Kühlanlagen ein. Das Kaffeehaus verfügt heute über ein eigenes Blockheizkraftwerk, Windrad und eine Solaranlage.

Der Idealist Lange ist auch Pragmatiker: „Ein Prozent eingesparte Energiekosten sind auch ein Prozent Gewinn.“ Über dem Tresen hängen energieeffiziente LEDs, die Abwärme der Kühlgeräte wird dazu benutzt, um Wasser für die Kaffeemaschinen vorzuwärmen. „Wir haben immer überlegt, was geht noch besser, und nie darauf gehört, wenn jemand sagte, das geht nicht“, sagt der Konditormeister stolz. So kam er vor elf Jahren auch zur eigenen Biokaffeerösterei. Die Zutaten für die Kuchen und Torten stammen von Bauern und Produzenten, mit denen die Langes schon seit Jahren zusammenarbeiten. Natürlich wird saisonal gebacken, die rund 180 Produkte, die täglich aus der Backstube kommen, sind so bemessen, dass der Laden am Abend am besten ausverkauft ist. Eventueller Überschuss landet am nächsten Morgen bei der Hamburger Tafel. Und beim Personal setzen die auch sozial engagierten Langes auf Nachhaltigkeit. Sie bilden über den eigenen Bedarf aus, bieten Teilzeitarbeitsplätze an und haben kein Problem damit, auch Menschen über 50 einzustellen. „Wir werden ja alle älter“, sagt Klaus Lange lapidar.

Viele der Green Chefs sind Überzeugungstäter. Manche kümmern sich intensiv um alte Obst- und Gemüsesorten, andere geben ihren Gästen die Essensreste in formschönen Leihhenkelmännern mit nach Hause, alle vermeiden lange Transportwege, manche kochen sogar nur noch das, was der Tag gerade hergibt. Wie beim Dorfwirt im bayrischen Unterammergau, wo man unter dem Motto „Bayrisch Fine Dining“ lokale Tradition und moderne Küche vereinigt. „Wenn der Jäger beim Hörnle auf die Pirsch geht“, steht zum Beispiel fürs Wild auf dem dreigängigen Menü der „Dorfwirt Rally“, oder einfach „Sonne, Mond und Erde“ für das Gemüse aus dem Garten.

Der Preis für fairen Einkauf

„Wir verarbeiten nur, was gerade da ist, und verwenden nur Produkte, die aus dem Umkreis von maximal 99 Kilometern um die Wirtschaft herum kommen“, sagt Wirt Thomas Zwink, „ich will wissen, wer die Tiere züchtet oder das Gemüse anbaut.“ Notfalls, wie bei den Wollschweinen, hat Zwink die Tiere selbst angeschafft, die jetzt bei einem befreundeten Bauern stehen. Nur bei den Weinen macht der Green-Chef-Partner notgedrungen eine Ausnahme. Oft lädt Zwink die Winzer persönlich ein, damit die Gäste sehen, wer die oft ungewöhnlichen Tropfen produziert. Der Preis für fair eingekaufte und verarbeitete Produkte sollte auf der Speisekarte durchaus eine Rolle spielen, sagt Zwink: „Dass solche Qualität Geld kostet, muss man mit den Gästen eben auch kommunizieren.“

Der Hamburger Malte Cuhlmann ist ebenfalls Mitglied bei den Green Chefs, in seinem Restaurant Das Seepferdchen am Hafen werden bewusst viele unterschiedliche Fischsorten verarbeitet. Das bekannte MSC-Siegel des Marine Stewardship Council ist für den eigenwilligen Koch nur bedingt eine Garantie für Nachhaltigkeit: „Mal darf man diesen Fisch nicht essen, mal jenen, für den Konsumenten ist das schwer nachvollziehbar, und sogar für uns Profis ist da vieles unklar“, sagt Cullmann. Für den „Catch of the Day“ kauft er weitmöglichst beim Großhändler seines Vertrauens oder direkt bei bekannten Fischern jene Margen, die konventionelle Wirte oft liegen lassen, weil bei ihren Gästen hauptsächlich Lachs und Doraden angesagt sind. So landen dann je nach Jahreszeit Meeräsche, Schellfisch oder St. Pierre auf dem Teller, den Gästen erklärt das geschulte Personal, was das Besondere an den jeweiligen geschuppten Freunden ist.

Eine weitere Spezialität des Seepferdchens sind die Tigergarnelen, die Cuhlmann aus einer nachhaltigen Zucht im bayrischen Landkreis Erding bezieht. Die Meerestiere werden artgerecht in Tanks aufgezogen, die mit Restwärme eines Kraftwerks beheizt werden, dürfen in Ruhe wachsen und sind frei von Antibiotika oder sonstigen Schadstoffen. Einen Tag nach der Ernte landen die bayrischen Schmankerl auf Hamburger Tellern. Cullmann schwärmt: „Die sind so frisch, dass man die sogar roh essen kann.“

www.green-chefs.de