heute in hamburg
: „Einsamkeit auf See“

Solidarität Früher Hökerin, heute Kapitänin: Hafenrundfahrt informiert über Frauenarbeit

Sonja Tesch

Foto: privat

74, ist Rentnerin. Sie beteiligt sich seit 1994 an den alternativen Hafenrundfahrten der „Hafengruppe“.

taz: Frau Tesch, wohin führt Ihr heutiger Törn?

Sonja Tesch: In unserem historischen Teil fahren wir zum Beispiel in die Speicherstadt, um von den Hökerinnen zu berichten. Sie kamen seit dem 16. Jahrhundert aus Wilhelmsburg und den Vierlanden über die Elbe, um auf Hamburgs Märkten Ware zu verkaufen. Und wir erzählen von den Arbeitskämpfen der Kaffeeverleserinnen.

Worum ging es da?

Belegt ist ein Streik bei der Kaffeefirma Stucken und Andresen in der Großen Elbstraße. 466 der 550 Arbeiterinnen haben dort 1896 gegen das Akkord-System gestreikt. Nach zwei Wochen wurden alle Forderungen erfüllt, aber kurz darauf wurde ein Großteil der Streikenden entlassen.

Gab es damals auch Frauenhandel im Hafen?

Ja. Im Rahmen der Auswanderung nach Amerika existierte ein internationaler Mädchenhandel. Ähnlich wie heute wurden Frauen mit dem Versprechen ins Ausland gelockt, dass sie als Gesellschafterinnen oder Kindermädchen arbeiten könnten. Wenn sie ankamen, wurden sie dann oft zur Prostitution gezwungen.

Wie steht es heute um Frauenarbeit m Hafen?

Seit Maschinen schwere körperliche Arbeit ersetzen, hat sie zugenommen; inzwischen gibt es zum Beispiel Containerbrückenfahrerinnen. Außerdem fahren heute viele Frauen zur See.

In welchen Berufen?

Angefangen hat das in den 1950er-Jahren, als Frauen erstmals Schiffsfunkerinnen werden konnten: Inzwischen gibt es auch Kapitäninnen und Schiffsoffiziere.

Wieviel Prozent der Kapitäne weltweit sind weiblich?

Das weiß ich nicht genau. Eine Untersuchung der Internationalen Arbeitsorganisation ergab allerdings, dass zwischen 1997 und 2001 in acht europäischen Ländern neun Prozent der Schiffsoffiziere weiblich waren.

Das ist wenig.

Ja. Außerdem haben es diese Frauen schwer. Auf Container- oder Frachtschiffen sind sie oft die einzige Frau und müssen sich nicht nur der männlichen Besatzung gegenüber durchsetzen, sondern sind auch sehr einsam.

Gibt es Erfahrungsberichte?

Ja. Denn viele dieser Frauen sind organisiert im Verband „Frauen zur See“. Sie treffen sich regelmäßig und berichten über Erfahrungen, an Bord, die bis zur sexuellen Belästigung reichen.

Interview: PS

Alternative Hafenrundfahrt „Frauenarbeit im Hafen und auf See“: 17.30 Uhr, Anleger Vorsetzen