Realpolitik

Was tun mit dem EU-Kanada-Freihandelsabkommen Ceta, das die Sozialdemokraten spaltet? Die SPD-Führung hat da einen Plan

Aktivisten klagen gegen Ceta

Recht Wird das Bundesverfassungsgericht das EU-kanadische Abkommen wohl verhindern?

KARLSRUHE taz | Nun gibt es also drei große Verfassungsklagen gegen das Handelsabkommen der EU mit Kanada. Am Mittwoch haben Anti-Ceta-Aktivisten in Karlsruhe mehr als 125.000 Vollmachten über­geben. Dies ist mit Abstand die größte Verfassungsbeschwerde der deutschen Geschichte.

Getragen wird die Klage von den Verbänden Foodwatch, Campact und „Mehr Demokratie“. Ihr Hauptkritikpunkt: Investoren können Staaten bei einem speziellen Investitionsgerichtshof verklagen. Außerdem sei das umweltrechtliche Vorsorgeprinzip nicht ausreichend abgesichert.

Zwei ähnliche Klagen gegen Ceta sind in Karlsruhe schon anhängig. Die Flötenlehrerin Marianne Grimmenstein hat rund 68.000 Mitstreiter mobilisiert. Auch die Abgeordneten der Linken im Bundestag haben geklagt. Die Zahl der Vollmachten ist juristisch allerdings irrelevant. Es geht hier eher um Öffentlichkeitswirksamkeit. Mit einer schnellen Entscheidung über die Verfassungsbeschwerden ist nicht zu rechnen. Der Ceta-Vertrag, der in der deutschen Fassung mit Anhängen 2.286 Seiten umfasst, ist komplex. Die dramatischen Behauptungen der Gegner müssen genau geprüft werden. Nicht alles, was politisch bedenklich ist, ist auch rechtlich verboten.

Ein weiteres Problem: Da es sich um einen EU-Vertrag handelt, ist das Bundesverfassungsgericht nur sehr indirekt zuständig. Einschreiten könnte es nur, wenn die Identität des Grundgesetzes gefährdet wäre oder die EU offensichtlich ihre Kompetenzen überschritten hat.

Die Ceta-Gegner wollen jedoch, dass das Bundesverfassungsgericht sofort handelt. Sie haben Eilanträge gestellt, damit die Richter der Regierung verbieten, dem Vertrag Mitte Oktober im EU-Ministerrat zuzustimmen. Vor allem soll seine sofortige vorläufige Anwendung verhindert werden. Nach derzeitigem Stand haben die Eilanträge keine großen Chancen. Es besteht im Moment wenig Gefahr, dass vollendete Tatsachen geschaffen werden. Voraussichtlich werden die EU-Staaten Ceta als gemischtes Abkommen behandeln. Dann müssen nicht nur die EU-Gremien, sondern auch die nationalen Parlamente der 28 EU-Staaten zustimmen.

Aber da ist dann noch der Europäische Gerichtshof

Karlsruhe könnte also abwarten, ob Bundestag und Bundesrat Ceta überhaupt abnicken. Zwar soll Ceta schon vor der Abstimmung in den nationalen Parlamenten „vorläufig“ in Kraft treten. Nach dem Willen der Bundesregierung sollen aber nur die Vorschriften über Zölle und die öffentliche Auftragsvergabe sofort angewandt werden.

Dagegen wären die besonders umstrittenen Vorschriften zum Investitionsschutz auszunehmen. Dort käme es also doch auf die Zustimmung aller nationalen Parlamente an.

Bis Ende September wollen die EU-Staaten geklärt haben, für welche Teile von Ceta die vorläufige Anwendung gelten soll. Für Turbulenzen könnte später allerdings noch der Europäische Gerichtshof (EuGH) sorgen. Dort hat die EU-Kommission im Fall eines ähnlichen Handelsabkommens mit Singapur um ein Gutachten gebeten. Der EuGH soll prüfen, ob das Abkommen (wie von den EU-Staaten angenommen) tatsächlich ein gemischtes Abkommen ist – oder ob es von den EU-Gremien allein beschlossen werden kann. Dies gilt als Präzedenzfall für Ceta.

Der EuGH wird schon bald – am 12. und 13. September – verhandeln. Mit einer Entscheidung ist allerdings erst im Frühling 2017 zu rechnen. Wenn der EuGH die Einstufung als gemischtes Abkommen kippt, dann könnte Ceta doch noch zum Karlsruher Eilfall werden.

Christian Rath