Nina Apin über die Initiative „Schule gegen sexuelle Gewalt“
: Eine Kampagne allein reicht nicht

Die Zahlen sind alarmierend: Rund 12.000 sexuelle Missbrauchsfälle an Kindern unter 14 Jahren registrierte die Polizei im vergangenen Jahr. Statistisch gesehen sitzen in jeder Schulklasse ein bis zwei Betroffene. Die Weltgesundheitsorganisation geht sogar davon aus, dass in Deutschland eine Million Mädchen und Jungen sexuelle Gewalt erfahren haben.

Aus der konkreten Lebensrealität wird das Angstthema Kindesmissbrauch dennoch ausgeblendet. „Bei uns doch nicht“ – diese Haltung herrscht auch an dem Ort vor, an dem Kinder viel Zeit verbringen: den Schulen. Dort stattfindende Übergriffe werden oft ignoriert. Im Schnitt muss sich ein von sexueller Gewalt betroffenes Kind an acht Erwachsene wenden, bis ihm jemand hilft.

Das ist unerträglich und deshalb ist die länderübergreifende Kampagne „Schule gegen sexuelle Gewalt“ überfällig. Leider ist sie auch völlig unzureichend. Infomappen für Schulleiter und Fortbildung für Lehrkräfte schaden nicht. Um einen echten Unterschied zu machen, müsste die Fortbildung flächendeckend stattfinden. Das wiederum setzt voraus, dass die Länder mehr Geld in die Personalausstattung ihrer Schulen stecken – damit der Kinderschutz nicht auf Kosten der Unterrichtsqualität geht.

Wenn man den Kinderschutz, zu dem Schulen übrigens genauso verpflichtet sind wie zur Wissensvermittlung, ernst nimmt, müsste es in jeder Schule eine Anlaufstelle für Betroffene geben. SchulleiterInnen oder ElternvertreterInnen können das nicht sein. Die Erfahrung zeigt, dass gerade sie das Aufdecken von Missbrauch oft verhindern. Eine Vertrauensperson muss unabhängig sein.

Damit die neue Kampagne kein Feigenblatt bleibt, muss der Bund jetzt die notwendigen Millionen für SchulpsychologInnen und SozialarbeiterInnen in den Ländern bereitstellen. Das ist kein Luxus, sondern angesichts der enormen Folgeschäden für die vielen Betroffenen eine Zukunftsinvestition.

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