Alle verlieren, AfD gewinnt

NIEDERSACHSEN Bei den Kommunalwahlen verfehlen die Rechtspopulisten dennoch ihr Wahlziel. SPD und Grüne ohne ihre Mehrheit in der Landeshauptstadt Hannover

Sie singen frohgemut die Nationalhymne. AfDler im niedersächsischen Wahlkampf Foto: Sebastian Gollnow/ dpa

AUS HANNOVER ANDREAS WYPUTTA

7,8 Prozent: Berauschend ist das Ergebnis nicht, das die AfD bei den Kommunalwahlen in Niedersachsen eingefahren hat – deren Landeschef, der einstige ARD-Fernsehkorrespondent Armin-Paul Hampel, wollte die Zehnprozentmarke knacken. Trotzdem ging bei den Lokalwahlen zwischen Küste und Harz fast jede Stimme für die Rechtspopulisten zulasten von Sozialdemokraten, Christdemokraten und Grünen.

Denn alle drei Parteien mussten Verluste um drei Prozent hinnehmen. Zwar blieb die CDU mit 34,4 Prozent stärkste Kraft, verlor aber 2,6 Punkte. Die SPD landete bei 31,2 Prozent (–3,7). Die Grünen, die 2011 nach der Atomkatastrophe von Fukushima gute 14,3 Prozent der Stimmen erhielten, stabilisierten sich aktuell bei 10,9 Prozent.

Von den im Landtag in Hannover vertretenen Parteien konnte sich lediglich die FDP um 1,4 auf 4,8 Prozent verbessern. Entsprechend besorgt kommentierten deren Vertreter das Votum der WählerInnen. „Wir müssen zur Kenntnis nehmen: Die AfD ist jetzt in Niedersachsen ein politischer Faktor“, sagte der SPD-Landesvorsitzende, Ministerpräsident Stephan Weil. Auch Grünen-Chefin Meta Janssen-Kucz gab sich unzufrieden: „Das Ergebnis ist mehr als durchwachsen“, meinte sie.

Schließlich hat Rot-Grün nicht nur in der Landeshauptstadt Hannover die Mehrheit verloren. In Osnabrück ist Rot-Grün ebenfalls Vergangenheit. Gewinnen konnte die SPD dagegen in Braunschweig: Erstmals seit 1976 stellen die Sozialdemokraten im Rat der zweitgrößten Stadt Niedersachsens die stärkste Fraktion.

Die AfD dagegen könnte ihr Potenzial in den im Herbst 2017 und Frühjahr 2018 anstehenden Bundes- und Landtagswahlen noch stärker ausschöpfen: Mangels Kandidaten war sie in vielen Gemeinden nicht präsent. Gerade auf dem Land hatten nur wenige Niedersachsen Lust, ihr Gesicht für die Rechtspopulisten hinzuhalten – aber auch in Osnabrück, Salzgitter und Göttingen war die AfD nicht auf dem Wahlzettel zu finden.

Mangels Kandidaten war die AfD in vielen Gemeinden nicht präsent

Die Analyse des scheidenden CDU-Landesvorsitzenden und einstigen Ministerpräsidenten David McAllister, Niedersachsen habe den Rechtspopulisten „die kalte Schulter gezeigt“, könnte sich deshalb als vorschnell erweisen. Zwar erreichte die AfD im Westen des Landes, wo die Christdemokraten traditionell stark sind, nur unterdurchschnittliche Ergebnisse: So kam die CDU in der Massentierhalter-Hochburg Cloppenburg auf fast 58, die neurechte Konkurrenz dagegen nur auf 3,3 Prozent.

Trotzdem gelang es den Rechtspopulisten, in vielen Kreistagen und Stadträten aus dem Stand viertstärkste, manchmal sogar drittstärkste Kraft zu werden.

Landesweit am besten schnitt die AfD im strukturschwachen, vom Niedergang der Werft- und Wollindustrie gebeutelten Delmenhorst ab: Dort, wo die Arbeitslosenquote mit 10 Prozent zweieinhalb mal höher ist als im Bundesdurchschnitt und fast jedes dritte Kind in Armut lebt, entschieden sich mehr als 15 Prozent der WählerInnen für die Rechten. Auch in Celle zieht die Partei mit 9,2 Prozent in den Stadtrat. Nach einer Stichwahl wird das Stadtoberhaupt dort aber von SPD oder CDU gestellt werden: Amtsinhaber Dirk-Ulrich Mende kam auf 46,1 Prozent sein Herausforderer Jörg Nigge auf 45,6 Prozent.