Heute in Bremen
: „Ein Schatten auf Bremen“

taz Salon Im Lagerhaus fragen wir, wo Judenhass beginnt – und was sich gegen ihn tun lässt

Helmut Hafner

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70, ist Sozialhistoriker und seit 1983 in der Senatskanzlei zuständig für Religionen, politische Philosophie, zivilgesellschaftliche Projekte.

taz: Herr Hafner, hat Bremen ein Antisemitismus-Problem?

Helmut Hafner: Nicht mehr als alle anderen Städte und Gemeinden in Deutschland.

Die einschlägigen Ausführungen von Bürgermeister Carsten Sieling zum Thema haben einige irritiert: Es wirkte, als sei, wer über Judenfeindschaft in Bremen spricht, ein Nestbeschmutzer. Was war damit gemeint?

In Deutschland gibt es einen Grundbestand an Antisemitismus. Das ist leider so, das zeigen alle einschlägigen Umfragen und Studien zum Thema. Nun wurde aber in den letzten Monaten behauptet, Bremen sei eine Hochburg des Antisemitismus. Das ist ein heftiger Vorwurf.

Und der trifft nicht zu?

Nein, der ist schlichtweg falsch. Und dass unterstellt wurde, der Staat, also die Landesregierung, tue zu wenig, um antisemitischen Tendenzen und Handlungen entgegen zu treten, ist richtig ärgerlich. Ich weiß und erlebe es auch immer wieder, dass die Politik in Bremen und auch die Zivilgesellschaft sich im Gegenteil ganz besonders empfindsam zeigen, wo es um antisemitische Aktionen geht.

Wer hat denn den Vorwurf erhoben?

Das ging ja durch Teile der Presse: Unter anderem hatte das ein Korrespondent der Jerusalem Post behauptet, der natürlich von bremischen Stimmen gefüttert worden sein muss. Ich glaube nicht, dass er jemals in Bremen war. Diese Nachrede hat sich schnell ausgebreitet: Ich habe Anrufe von jüdischen Freundinnen und Freunden aus Hamburg und Berlin bekommen, die fragten: Was ist denn da los bei euch in Bremen. Kann man dort noch hinreisen?

Sie ärgert, dass der Vorwurf – im Tagesspiegel stand auch ein langer Text – so sehr die Runde gemacht hat?

Es wurde ein Schatten auf Bremen geworfen, der der Wirklichkeit nicht entspricht, ohne dass man sich näher um die Fakten gekümmert hat. Das ist schon nicht ganz einfach.

Manche haben die Äußerungen des Rathauses auch als eine Spitze gegen die Grünen-Fraktion gedeutet, die den Senat mit ihrem umfangreichen Fragenkatalog zum Thema quält… ?

Das ist es bestimmt nicht. Wir halten hier das Thema Antisemitismus für sehr wichtig, da gibt es im Senat keine zwei Meinungen. Deshalb sind auch solche Anfragen hilfreich, ebenso wie Diskussionsveranstaltungen, weil sie das Thema ins Licht stellen. Menschenfreundlichkeit lässt sich nicht verordnen – und ihr Gegenteil auch nicht verbieten. Man soll, wenn es Antisemitismusvorwürfe gibt, diese klar benennen und darüber sprechen – das ist das Wichtigste und das Beste, was wir in dieser Frage tun können.

Das ist auch das Ziel unseres Salons heute Abend…

… so habe ich das auch verstanden. Deshalb nehme ich auch gerne daran teil. Interview: bes

taz Salon „Wie antisemitisch sind wir?“ mit Helmut Hafner (Senatskanzlei, SPD), Kirsten Kappert-Gonther (Grüne/Deutsch Israelische Gesellschaft), Peter Ullrich (Zentrum für Antisemitismusforschung, Berlin) und Rolf Verleger (Bündnis zur Beendigung der israelischen Besatzung, Lübeck): 19 Uhr, Lagerhaus