Heute in Bremen
: „Trinkende Altkommunisten“

Literatur Peter Weiss wäre dieses Jahr 100 Jahre alt geworden. Stückwerk feiert seinen Geburtstag

Frank Auerbach

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48, ist Regisseur und Schauspieler unter anderem bei der Shakespeare Company.

taz: Herr Auerbach, Peter Weiss hätte am 8. November 100. Geburtstag. Sie laden jetzt schon dazu ein. Ist er noch aktuell zwischen wachsendem Rechtspopulismus, apathischer Sozialdemokratie und den Resten linker Bewegungen?

Frank Auerbach: Gegen Unterdrückung mit dem Proletariat als revolutionärer Masse zu kämpfen, wie Weiss es beschreibt, damit ist ja heute nicht mehr zu rechnen. Weil es kein Proletariat mehr gibt. Aber die Herrschenden gibt es nach wie vor. Deswegen ist Weiss’ Suche nach den Potenzialen der Kunst für Emanzipation und Widerstand höchst relevant.

Weiss’ „Ästhetik des Widerstands“ ist eine Widerstandsgeschichte als Roman-Essay. Keine Genusslektüre mit ihren 1.000 Seiten.

Ich habe bisher nur den ersten Band des Riesenwerks gelesen, ein Puzzle der Jahrhunderte, Geschichtsunterricht, der lebendig gehalten werden muss, da er anhand der Kulturgeschichte zeigt, warum sich Menschen wie widersetzen. So nutzt Weiss den Pergamon-Fries als Darstellung des ewigen Klassenkampfs der Menschheit gegen die Götter.

Was hat Sie überrascht?

Dass man aus dem Werk schon Weiss’ Enttäuschungen herauslesen kann, einerseits seine Schwierigkeiten, selbst gehört, verlegt, gelesen zu werden, er bezeichnete sich ja als Unzugehöriger, andererseits behauptet er bereits das Scheitern von Sozialismus und Kommunismus in der Beschreibung, wie sich diese Utopien im sowjetischen Personenkult und in den Widersprüchen und Fehlern der Arbeiterbewegung entwerten.

Nimmt das die aktuelle Orientierungslosigkeit vorweg?

Ja. Weiss zeigt, wie Menschen entscheiden, wozu sie gehören und wogegen sie aktiv werden wollen, eine politisch aktuelle Frage, bei der gerade die AfD in die Bresche springt und ein neues Zuhause verspricht.

Welche Spuren des Autors haben sie in Bremen entdeckt?

Peter Weiss lebte hier zehn Jahre mit seinen Eltern in einer schönen Villa in Schwachhausen, ging in Horn zur Schule, dem Vater gehörte ein Textilkaufhaus. Heute gibt es in der Neustadt eine Peter-Weiss-Straße, das ist aber eine Sackgasse.

Aus der führen Sie sein vergessenes Denken wieder heraus?

Ein schönes Bild, ja, das wollen wir. Es fehlt heute ja einer mit diesem Mut, sich für gesellschaftliche Utopien einzusetzen.

Was erwartet die Besucher?

Da sitzen drei Rotwein trinkende Altkommunisten auf dem Podium, versuchen das Porträt des Autors anhand ihrer Lieblingspassagen aus den Weiss-Werken zu entwerfen, entdecken darin ihre eigenen linken Sehnsüchte, aber auch ­Beckett’sche Anwandlung der Ausweglosigkeit und spielen dazu Widerstandsmusik – von Ernst Busch bis Punk. Interview: Jens Fischer

Lesung: 19.30 Uhr, Falstaff