: Lolla-Flora
MusikRund um das Lollapalooza im Treptower Park gab es Tumult. Wie ist es um die Natur bestellt inmitten des Pop-Jahrmarkts?
„Eingang West“, nein, das ist falsch hier. Besitzer von Eintagestickets, Presseleute, Menschen mit Handicap müssen bitte zu „Eingang Ost“, um auf das Gelände des Lollapalooza-Festivals im Treptower Park zu kommen. Das bedeutet: Einmal durch den ganzen Park bitte. Man fährt vorbei an Menschenmassen, die sich außerhalb des Festivalgeländes auf Gehwegen zusammengefunden haben, um auch ohne eines der teuren Tickets irgendwie dabei zu sein beim großen Megafestival. Und die Leute haben ja eigentlich auch recht: Gerade wummert ein mächtiges Bumm Bumm herüber, das muss wohl Paul Kalkbrenner sein, der klingt drinnen auch nicht besser als draußen.
Ich fahre weiter, immer weiter, der Park ist wirklich gigantisch groß, alles ist abgezäunt, überall Polizei. Ah, hier geht es zum Sowjetischen Ehrenmal, mal schauen, ob dieses bereits zugekotzt oder sonst wie geschändet wurde wie befürchtet. Aber dann erfahre ich: Der Zugang zum Ehrenmal ist abends ganz einfach geschlossen. Weiter geradeaus, dann links und dann nochmals links, sagt jemand, dort sei endlich „Eingang Ost.“ Inzwischen ist es richtig dunkel, New Order müssten bald auftreten. Wo aber ist jetzt bitte „Eingang Ost“? Ein Ordner zeigt mir einen Weg, eher einen Pfad, Mitten hinein ins Dunkel, mitten hinein in den Wald, dort sei wirklich „Eingang Ost“. Ich stapfe den Weg entlang, über Wurzeln, ich sehe überhaupt nichts, bis sich dann endlich eine Lichtung auftut. Es wird hell, immer heller und was soll ich sagen: Ich steh plötzlich mitten auf dem Festivalgelände. Kein „Eingang Ost“ weit und breit, aber ich bin drin. Keine Ahnung, wie genau das nun passieren konnte, aber ganz offensichtlich haben die Ordner des Lollapalooza-Festivals einfach doch ein wenig die Kontrolle über das riesige Gelände verloren.
Drinnen geht eigentlich alles ziemlich gesittet zu. Die befürchteten Horden, die alles im schönen Park niedertrampeln, sind nicht auszumachen. Was vielleicht auch daran liegt, dass der Lollapalooza-Besucher gar keine Energie mehr für Vandalismus hat, wenn er auch nur einmal den ganzen, schier endlos langen Weg einmal quer durch den Park von der Alternative-Bühne zur Hauptbühne zurückgelegt hat.
Überall wird man darauf hingewiesen, sich zwar durchaus auf einem Festivalgelände zu befinden, vor allem jedoch im „Gartendenkmal Treptower Park“, weswegen Flora und Fauna hier doch bitte geschützt werden sollen. Und nicht nur das: Irgendwo versteckt, zwischen all den Fress- und Kirmesbuden, eröffnet sich einem plötzlich eine Art Lollapalooza-Paradies. So wie hier war es früher vielleicht mal überall auf dem Lollapalooza, damals, bevor aus dem Indie-Event eine gigantische Franchise-Industrie wurde. Hier, im Paradies, gibt es einen „Kräutergarten Pommerland“ und man kann „Papierperlen“ und Armbänder selber basteln.
Außerdem ist zu bewundern: Die Ausstellung „Wundervolle Tier&Pflanzenwelt im Treptower Park“. Die Rispe, der schwarze Holunder, der Waldkauz und die Wasserfledermaus, all diese wunderbaren Pflanzen und Tiere sind hier im Park beheimatet. Das wusste ich alles überhaupt nicht. New Order haben inzwischen begonnen mit ihrem Auftritt. Aber wen interessieren die jetzt noch groß? Ich will zurück in den dichten Wald, zu all den Pflanzen und Tieren. Andreas Hartmann
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