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Das Ding, das kommtVerspielteStadt

Guerilla-Schaukeln haben Unbekannte in Kiel aufgehängt. Die Idee dahinter schaukelt aber schon länger durch die Weltgeschichte Foto: dpa

Zwei Tage nur hingen sie im Schreven-, im Hiroshimapark und gegenüber der Asmus-Bremer-Plastik in der Innenstadt. Dann sah sich das Kieler Grünflächenamt gezwungen, den Spielverderber zu spielen – aus „Haftungs- und Sicherheitsgründen“. Dabei war auch das Amt eigentlich angetan von der „tollen Idee“, die Stadt zum Spielplatz zu machen: anonym hatte eine Gruppe alternativer Stadtgestalter am vergangenen Sonntag Schaukeln aufgehängt, einfach so.

Angeschubst wurden sie von der Künstlergruppe „Einfach so“ aus Berlin. Die hatte dort eine Woche zuvor 30 Schaukeln an Bäume, Brücken und S-Bahn-Trassen gehängt, um zu zeigen, wie man kreativ und zugleich verantwortlich mit dem öffentlichen Raum umgehen kann. Viel Mühe hatten sich die InitiatorInnen gegeben, den „strengen Vorschriften der Berliner Spielplatzgesetzgebung, des Baumschutzes und des Straßen- und Wegerechts“ Genüge zu leisten. „Die Behörden sind nicht unser Feind“, sagte einer der Schaukelbauer, „wir möchten in einen Dialog treten und unbürokratisch mitgestalten.“

Bereits eine ganze Weile schaukelt die Idee durch die Weltgeschichte. Seit drei Jahren schon geht die Gruppe „City Swing“ in Hamburg guerillaschaukeln. Erfunden haben den freundlich-anarchisch gemeinten Spaß Architekturstudierende aus Texas, das war 2007; mehr als 200 Schaukeln haben sie weltweit schon angebracht.

Wirklich hochgeschaukelt hat die Idee der Kalifornier Jeffrey Waldman. Finanziert über die Crowdfunding-Plattform Kickstarter hängen seine Schaukeln inzwischen längst auch in Bolivien, in Panama und auf den Marshall-Inseln. Irgendwann kam dann der Sprung vom Guerilla-Schaukeln zum Guerilla-Marketing: 2010 drehte Waldman für Coca Cola mit Softdrink-trinkenden Schaukelnden den Werbefilm „Random Acts of Kindness“.

Die Ehre, aus dem spielerischen Protest gegen die Langeweile und dröge Funktionalität des Stadtalltags eine urbanistische Theorie gemacht zu haben, gebührt dann aber wieder Norddeutschen: Volkswagens „Fun Theory“ geht davon aus, dass Spaß der einfachste Weg ist, Menschen zu bestimmten Verhaltensweisen im öffentlichen Raum zu bewegen.

Auch das ist natürlich keine neue Idee. „Fun ist ein Stahlbad“, hieß die miesepetrige Variante der Spielverderber Adorno und Horkheimer: „Vergnügtsein heißt Einverstandensein“, spuckten sie damals vom Balkon des Grand Hotels Abgrund herunter. Heute würden sie wohl die darunter baumelnde Guerilla-Schaukel treffen. MATT

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