Black Box Kommunalwahl

NiedersachsenMehr als 2.100 Stadt-, Kreis- und Gemeinderäte werden am Sonntag neu gewählt

In Bad Bavensen werden die Grünen bei exakt null Prozent landen

HANNOVER taz | Geld satt hatte Niedersachsens SPD-Ministerpräsident Stephan Weil im Gepäck, als er neun Tage vor den am kommenden Sonntag anstehenden Kommunalwahlen Cuxhaven besuchte. „Stabilisierungshilfen“ von mehr als 187 Millionen Euro versprach der Regierungschef der Stadt an der Nordsee – denn Cuxhaven ist pleite: Mit mehr als 7.000 Euro pro Kopf steht die Kommune stärker in der Kreide als jeder andere Ort zwischen Küste und Harz.

Mit dem Niedergang der Fischerei und dem Abzug der Bundeswehr hat die Stadt Schulden von mehr als 300 Millionen Euro angehäuft – jetzt hofft sie, mit Weils Hilfe in den Bereichen Tourismus und Offshore-Windenergie durchzustarten. Ganz uneigennützig dürfte der Besuch des Landesvaters aber nicht gewesen sein: Seit 2011 wird Cuxhaven vom parteilosen Oberbürgermeister Ulrich Getsch regiert, der von CDU, FDP und Grünen ins Amt gehievt wurde. Ein Geldregen aus der fernen Landeshauptstadt Hannover dürfte Weils SPD bei den Kommunalwahlen nicht schaden.

Ähnlichen Rückenwind könnten die Sozialdemokraten auch im Rest Niedersachsens brauchen. Zwar gilt Hannover als rote Hochburg, zwar kam die SPD bei den Kommunalwahlen 2011 landesweit auf knapp 35 Prozent. Trotzdem lag die Partei damit 2 Prozentpunkte hinter der CDU.

Die Grünen erzielten nach Fukushima dagegen fast 20 Prozent. „Natürlich“ solle auch diesmal ein ähnlich „hervorragender Wert hereingeholt“ werden, sagt der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen- Landtagsfraktion, Helge Limburg. Doch selbst viele Grüne zweifeln, ob das Ergebnis wiederholbar ist.

Aktuelle Umfragen gibt es nicht. Schließlich werden in Deutschlands zweitgrößtem Flächenland insgesamt 2.125 kommunale Vertretungen neu gewählt, darunter allein 919 Räte der kreisangehörigen Gemeinden – und für den Wahlausgang vor Ort können auch lokale Themen wie fehlendes schnelles Internet oder miese Verkehrsverbindungen entscheidend sein.

Klar ist bisher nur, dass die Grünen im Kurort Bad Bavensen in der Lüneburger Heide bei exakt null Prozent landen werden. Zwar stellt die Partei in dem rund 9.000 Einwohner zählenden Städtchen mit Martin Feller sogar den Bürgermeister. Wegen einer veralteten Liste, auf der die KandidatInnen in anderer Reihenfolge aufgeführt wurden als bei einem Parteitag beschlossen, verweigerte der Wahlleiter den Grünen aber die Zulassung. Zu hart sei diese Entscheidung, klagte Feller darauf gegenüber der taz – schließlich wurde der SPD in Hannover die Korrektur einer ähnlich falschen Liste erlaubt: „Es gab keine Betrugsabsicht, sondern es war ein Versehen“, sagt Feller.

Größter Unsicherheitsfaktor bleibt die AfD. Im bodenständigen Niedersachsen haben die Rechtspopulisten Schwierigkeiten, ausreichend Kandidaten zu finden: AfDler bewerben sich zwar in allen 37 Landkreisen, aber nur in fünf der acht kreisfreien Städte. Und in den kleineren Gemeinden treten die Rechtspopulisten sogar nur bei 129 von 919 Ratswahlen an. „Eine 10 vor dem Komma“, sagt Paul-Armin Hampel, AfD-Landeschef, „wäre schön“.

Andreas Wyputta