Entspannter Aufbruch

WM-Qualifikation II Beim souveränen 3:0-Erfolgin Norwegen wird das deutsche Team kaum gefordert. Trainer Joachim Löw erkennt nach der EM-Fehleranalyse dennoch erste Lernfortschritte

Effizient: Selbst Thomas Müller (links) trifft wieder Foto: dpa

OSLO taz | Die Sonne war noch gar nicht richtig über die bewaldeten Streifen rund um den Osloer Flughafen Gardermoen geklettert, da mundete bereits wieder das Bier. Fans der deutschen Nationalmannschaft scheinen mitunter unersättlich, dennoch wirkte die Atmosphäre am Morgen danach ähnlich entspannt wie am Abend zuvor im Ullevaal-Stadion. Endlich hat ein Auftritt der Weltmeister wieder Spaß gemacht. So lautete das einhellige Fazit nach dem 3:0 in Norwegen zum Auftakt der WM-Qualifikation, ehe sich am Montagmorgen 40 Kilometer nördlich der Hauptstadt die Protagonisten auf die vielen Linienflüge gen Deutschland verteilten.

Joachim Löw nahm gleich mal einen Flieger nach Berlin, seinem neuen Hauptwohnsitz. Seine Elf hatte ein Startsignal aus Oslo gesendet, das wie die Faust aufs Auge zu einer Stadt passte, die nicht nur für Offenheit, Zusammenhalt und Freizügigkeit steht, sondern auch Aufbruch, Dynamik und Unruhe verkörpert, weil noch an so vielen Stellen gebaut wird. Damit bleibt man aber Trendsetter. Und ist der Bundestrainer nicht auch solch ein steter Baumeister?

Ihm rutschte in der Kinothek, dem lauschigen Pressesaal des Ullevaal-Stadions, ein verräterischer Satz heraus, als ein norwegischer Journalist noch mal wissen wollte, was denn nun von den Norwegern noch in der Gruppe zu erwarten sei. „Ich glaube, dass sie mit Tschechien und Nordirland alles versuchen werden, den zweiten Platz zu erreichen – nach Deutschland.“ Bewusst ließ der 56-Jährige dazwischen eine längere Pause. Und noch größer war der Abstand, der sich auf dem Rasen zwischen den beiden Teams offenbarte.

Ohne erkennbare Wackler durch die Quali zu kommen, so lautet Löws Forderung. „Die Mannschaft hat die Vorgaben gut umgesetzt“, lobte er nach dem ersten Auftritt und benutzte die Attribute „souverän“ und „seriös“. Und er lobte, ohne in Überschwang zu verfallen. „Wir haben das Spiel breit und tief gemacht, das war für Norwegen schwierig.“ Tatsächlich waren zuvorderst Mesut Özil, Toni Kroos oder Sami Khedira zielgerichtet auf den vertikalen Ball in den Schnittstellen aus. Da steckte ein erkennbares System dahinter.

Ihr Nationaltrainer hat genau diesen Lernfortschritt für den nächsten Zweijahreszyklus angemahnt – der bisweilen ermüdende Ballbesitz darf nicht zum Selbstzweck verkommen. „Bei der EM fehlten die Effizienz und die Konsequenz im Abschluss“, gestand Löw. „Diesmal waren immer drei, vier Spieler da, die in den Abschluss wollten.“ Die Tore von Thomas Müller (15. und 60.) sowie Joshua Kimmich (45.) fielen zwangsläufig. „Wir haben das von A bis Z gut durchgezogen“, meinte der bestens gelaunte Müller.

Fraglich, ob die Mannschaft in den Heimspielen gegen Tschechien (8. Oktober) in Hamburg und Nordirland in Hannover (11. Oktober) mehr gefordert wird. „Tschechien hat die besseren Fußballer und mehr Erfahrung, das wird der hartnäckigste Gegner“, glaubt Löw. Doch bei der Nullnummer gegen die Nordiren verbreitete auch der Nachbar nicht viel Furcht. Alles spricht dafür, dass Deutschland recht frühzeitig seine Russland-Reise für die Mission Titelverteidigung planen kann, sollte das norddeutsche Heimspiel-Doppel siegreich enden.

Die Qualifikation früh klarmachen – das ist Löws erklärtes Ziel, der den aus seiner Sicht recht überflüssigen Confederations Cup im nächsten Sommer zum „Perspektivturnier“ herabgestuft hat. Und bewusst wechselte er am Sonntag lieber die Perspektivspieler Julian Brandt und Max Meyer statt Karim Bellarabi ein. Speziell der unbekümmerte Brandt hat es ihm angetan. „Er hat sehr gute Anlagen. Er kann Eins-gegen-eins-Situationen lösen. Es ist wichtig für die Zukunft, dass wir diese Spieler ausbilden.“

„Diesmal waren immer drei, vier Spieler da, die in den Abschluss wollten“

Bundestrainer Löw

Für Leverkusens Überflieger sei beispielsweise das olympische Fußballturnier in Brasilien als Erfahrung unverzichtbar gewesen. Und den 20-Jährigen international jetzt noch bekannter zu machen, kann sicherlich nicht schaden: Die norwegische Stadionregie blendete bei der Einwechslung der neuen deutschen Nummer sieben nämlich noch den Namen Bastian Schweinsteiger ein, was der deutsche Block hinter dem Tor mit höhnischem Gelächter quittierte. Auch darauf ist dann am nächsten Tag eigens noch mal angestoßen worden.

Frank Hellmann