Berlin, ewige Partystadt
: Grunge und Gequatsche

Ausgehen und Rumstehen

von René Hamann

Techno ist immer dann die schrecklichste Musik der Welt, wenn sie durch die Zim­merdecke von oben aus der Nachbarwohnung kommt. Das ist der sogenannte Disco Moron Effect, sagt man mir später. Interessant ist nur, wenn man sonntagmorgens früh aufsteht, wegen Sonntagsdienst, und diese Musik, inzwischen gedämpfter, immer noch aus der Wohnung im vierten Stock kommt. Berlin, ewige Partystadt, denke ich, während ich im Hinterhof mein Fahrrad aufschließe.

Interessant ist auch, wenn man in der Nacht aufwacht, weil die vorübergehenden Nachbarinnen, also die, die zur Zwischenmiete wohnen, weil die eigentliche Nachbarin gerade einen Halbjahresjob auf Teneriffa macht, also, wenn man um sagen wir halb sechs von so einem Partygequatsche auf Englisch aufwacht. Weil: Küchenfenster auf, um nach draußen zu rauchen, dabei unverdrossen weiterquatschen. Vermutlich die kennengelernte Bagage vom Ausgehen noch auf ein paar Drinks in die Wohnung gebeten, denke ich, während ich vom Badezimmer wieder zurück ins Bett schlurfe, jetzt mit Ohrstöpseln. Erstaunlich: das gleiche Gequatsche, nur etwas leiser, ist um neun Uhr immer noch im Gange.

Ich selbst war am Wochenende in sportlichen Belangen unterwegs, also eigentlich passivsportlichen: Fußballspiel gucken im Jahnsportpark. Im Anschluss waren wir noch zum Veteranenstraßenfest, aber das war gegen 10 schon vorbei. Ein abgesperrtes Stück Straße, über das sich ein paar Neugierige verloren, mehr nicht. Ich mampfte einen der letzten Burger vom Stand für 6,50 Euro und trank das erste Kioskbier – die Bierstände hatten schon geschlossen, und die Band baute ab. Der Mischer oder wer sonst für die Beschallung zuständig war, demonstrierte, dass alle musikalischen Erziehungsversuche erfolglos geblieben waren: Es lief eine Mischung aus schlechtem Grungerock und schlechtem 90er-Jahre-Metal. Am Ende kam die Polizei und bat um Ruhe.

Dort, wo wir wohnen, fand ein Festival statt, das sofort ein Gegenfestival provozierte, Pop-Kultur gegen Off-Kultur, städtische Subvention gegen Selbstausbeutung, das alte Dilemma. Vom Namen her würde ich sofort sagen: Pop-Kultur, wer will denn schon Off-Kultur, das ist meist eh dasselbe in schlecht; an mir schwamm sowieso das meiste vorbei. Und da, wo ich wohne, war eh wieder so viel los wie in Köln zu Zeiten der Popkomm, und das ganz ohne irgendein Festival. Berlin, ewige Partystadt. Zum Glück wohne ich nach hinten raus.