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Alke Wierth wünscht sich etwas Entschleunigung als Ziel von fußverkehrspolitischeN StrategienSchöner laufen

Viel Zeit hat sich Christian Gaebler (SPD) für das Thema nicht genommen. Als Erster springt er am Ende seiner knapp 45-minütigen Pressekonferenz am Montag über politische Strategien zur Förderung des Fußverkehrs auf und verlässt den Raum: zu Fuß immerhin, jedenfalls bis auf die gegenüberliegende Straßenseite, wo sein Dienstwagen schon auf den Staatssekretär für Verkehr wartet.

Dabei ist der Fußweg von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung bis zur nächstliegenden U-Bahn-Haltestelle Märkisches Museum gerade so romantisch: Im Köllnischen Park fallen die ersten bunt gefärbten Blätter von den Bäumen, man hört und atmet kaum Autoverkehr. Die Luft riecht kühl nach Herbst, letzte Sommersonnenstrahlen bringen das Wasser der Spree zum Glitzern.

Entschleunigung, gar Entspannung: Dass das in anderen europäischen Großstädten durchaus Ziel fußverkehrspolitischer Strategien ist, lässt der österreichische Experte erahnen, der neben Gaebler auf der Pressekonferenz sitzt. Dass Wien die europaweit längsten „Umlaufzeiten“, also Zeiträume zwischen einem und dem folgenden Grün einer Fußgängerampel hat, wie ein anwesender Mitarbeiter der Berliner Verkehrsverwaltung spitz bemerkt, ficht Dieter Schwab, Obmann des Österreichischen Vereins für FußgängerInnen, nicht an.

Nicht allein Geschwindigkeit, auch Aufenthaltsqualität sei in Österreich wichtig bei der Fußgängerpolitik. Auch ältere Leute sollten heil über die Straße kommen – und im besten Fall auf der anderen Seite in schöner Umgebung eine Bank zum Ausruhen vorfinden. Berlin dagegen ist stolz auf seine kurzen Umlaufzeiten von im Durchschnitt 70 Sekunden. Das Grün der Fußgängerampel leuchte dabei oft so kurz, dass es quasi nur noch ein „Startsignal“ für die FußgängerInnen ist, erläutert ein weiterer Berliner Verkehrsbeamter.

Gut also, dass Berlin sich zum Gastgeber der ersten bundesweiten „Initiative zur strategischen Förderung kommunaler Fußverkehrsstrategien“ gemacht hat, die auf der Pressekonferenz präsentiert wurde.

Das Modellprojekt soll in fünf Städten bundesweit „Fußverkehrschecks und Workshops mit Multiplikatoren und örtlichen Interessenvertretungen“ durchführen, um „Städte und Gemeinden zur Förderung des Gehens“ zu motivieren. Ob Berlin allerdings am Ende selbst von dem Projekt profitiert, ist unklar. Immerhin der Bezirk Spandau hat sich um Teilnahme beworben.

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