Die Opposition spricht von vielen Toten

GABUNNach den schweren Unruhen infolge der Wahl bestätigt die Regierung Massenverhaftungen

Ausgebrannte Autos vor einem Regierungsgebäude Foto: Joel Bouopda/ap

VON Dominic Johnson

BERLIN taz | In Gabun verschärft sich die politische Krise nach den schweren Unruhen, die auf die amtliche Verkündung des Wahlsiegs von Präsident Ali Bongo am vergangenen Mittwoch folgten. Während das Innenministerium am Wochenende von einer allmählichen Rückkehr zur Normalität sprach, warnte Oppositionsführer Jean Ping vor einem „generalisierten Chaos“.

Ping bekräftigte am späten Freitagabend, er sei der gewählte Präsident des Landes, und bat Frankreich um Hilfe. Die Afrikanische Union (AU), deren Kommissionsvorsitzender Ping von 2008 bis 2012 war, rief zum „Dialog“ in Gabun auf. Weltweit sammelten sich am Sonntag gabunische Emigranten zu Protestkundgebungen und Gebetsveranstaltungen.

Das Ausmaß der Gewalt, die Gabun seit Mittwochabend nach Bongos Wahlsieg mit offiziell 49,8 Prozent gegen 48,2 für Ping ergriffen hat, bleibt unklar. Die Regierung hat das Internet abgestellt. Sieben Tote sind nach einer Zählung der französischen Nachrichtenagentur AFP bestätigt, aber die meisten Quellen gehen von mehr aus. In Oppositionskreise zirkuliert sogar eine Aufstellung von 539 Toten, davon 126 in der Hauptstadt Libre­ville und 347 in der zweitgrößten Stadt, Port-Gentil, dem wichtigsten Hafen des Landes und traditionell aufsässig.

Diese Zahlen lassen sich nicht bestätigen, aber die katholische Kirche berichtete aus Port-Gentil von Plünderungen und Straßensperren. In der Stadt Bitam sollen Aufständische die Kontrolle über Polizeiposten übernommen haben. Aus mehreren Städten, auch aus der Hauptstadt, werden nächtliche Razzien und Hinrichtungen gemeldet.

Unstrittig sind inzwischen die Vorgänge bei der Erstürmung von Jean Pings Wahlkampfzentrale in Libreville durch die Präsidialgarde in der Nacht zum Donnerstag, nachdem Demonstranten zuvor das Parlamentsgebäude angezündet hatten.

Aus mehreren Städten werden Hinrichtungen gemeldet

Der aus Protest gegen das Wahlergebnis zurückgetretene Vizepräsident der Wahlkommission, Paul-Marie Gondjout, der sich dort befand, berichtete französischen Medien telefonisch über den Angriff gegen ein Uhr früh: „Sie durchbrachen das Tor und schossen mit M16-Sturmgewehren in alle Richtungen. Man sieht die Einschusslöcher in den Mauern und die Blutspuren im Gebäude. Die Fensterscheiben zerbrachen. Ich sah zwei Tote und sieben Personen am Boden, von denen ich nicht weiß, ob sie noch leben. Die Garde nahm die Leichen mit.“

24 auf dem Gelände angetroffene Oppositionsführer wurden bis Freitagabend im Hof der Wahlkampfzentrale unter freiem Himmel festgehalten. Erst nachdem in der Nacht zum Freitag der ranghöchste UN-Vertreter in Gabun das Gelände besuchte und den UN-Sicherheitsrat alarmierte, hob die Garde die Einkesselung am Freitagabend auf und ließ die Oppositionsführer ziehen. Unter ihnen befanden sich mehrere altgediente Politiker, unter anderem ein ehemaliger Vizepräsident Gabuns; einige sind über 70 Jahre alt.

Insgesamt sind nach offiziellen Angaben bis Samstag 1.100 Menschen verhaftet worden – viel für ein Land mit 1,7 Millionen Einwohnern. 800 Festnahmen gab es in Libreville, wo die Häftlinge nach Angaben der gabunischen Anwaltsvereinigung unter „unwürdigen“ Bedingungen festgehalten werden. Da es nur 120 Anwälte in Libreville gebe und die Behörden keine Listen der Namen und Haftorte der Festgenommenen zur Verfügung stellten, gestalte sich die juristische Betreuung sehr schwierig, sagte Rechtsanwalt Jean-Pierre Akumbu.