Heimbetreiber unter Druck

FlüchtlingsheimeDer umstrittene Träger Pewobe gibt ab dieser Woche seine Unterkünfte an neue Betreiber ab. Das Land hatte die Verträge mit der Firma fristlos gekündigt

Geflüchtete in Hellersdorf Foto: Kitty Kleist-Heinrich/TSP/picture alliance

von Marina Mai

Sozialsenator Mario Czaja (CDU) macht Ernst: Nicht erst Ende Oktober, wie vor fünf Wochen von ihm angekündigt, sondern schon in dieser Woche wird das Flüchtlingswohnheim in der Hellersdorfer Carola-Neher-Straße aus der Trägerschaft der umstrittenen Betreiberfirma Pewobe herausgelöst und einem anderen Träger übergeben. Das hat die benachbarte Alice-Salomon-Hochschule von den Behörden erfahren.

Czajas Sprecherin Regina Kneiding will dies zwar weder bestätigen noch dementieren. Sie sagt aber, dass mindestens ein Pewobe-Heim diese Woche einen neuen Träger erhält – ohne anzugeben, welches. „Die Übergabe der Pewobe-Heime an andere Träger beginnt in dieser Woche und geht schrittweise vonstatten“, so Kneiding. Die Heime würden an „Interimsbetreiber“ übergeben. Alle Heime sollten erhalten bleiben.

Zuvor war darüber spekuliert worden, dass die Pewobe einzelne Heime weiterbetreibt, aber nicht als Flüchtlings-, sondern als Obdachlosenheime. Dazu benötigte der Träger keinen Vertrag mit dem Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten.

Den Vertrag mit der Pewobe hatte das Amt gekündigt, nachdem Mailwechsel mit rassistischem Inhalt über Geflüchtete aus der Führungsriege der Firma an die Öffentlichkeit gelangt waren. Doch auch zuvor hatte es bereits viel Kritik an dem Heimbetreiber gegeben.

So dokumentiert der Senat in einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Linken zahlreiche Mängel etwa in dem Hellersdorfer Heim, die bei Kontrollen zwischen 2014 und 2016 zutage getreten seien. So sei die tatsächliche Personalausstattung vom Soll abgewichen. Unterlagen über die Qualifizierung der Beschäftigten hätten gefehlt, ebenfalls Teile der vorgeschriebenen Ausstattung. Außerdem bemängelte das Land Verstöße gegen den Datenschutz beim Einsatz von Videoüberwachung sowie fehlendes WLAN in den Pewobe-Unterkünften. Nur ein Teil der Mängel wären bei Folgekontrollen abgestellt worden. Die Pewobe selbst hat die Kritik, weniger Personal bereitzustellen als vorgeschrieben, bei verschiedenen Gelegenheiten zurückgewiesen.

Zu wenig Personal, fehlende Qualifi­kationsnachweise, Abrechnungsbetrug

Das Unternehmen bekommt in diesen Tagen noch mehr Druck: Vergangenen Donnerstag führte die Polizei in insgesamt 36 Geschäftsräumen und Unterkünften der Pewobe und der ebenfalls umstrittenen Betreiberfirma Gierso Razzien durch. Das bestätigt Martin Steltner, Sprecher der Staatsanwaltschaft. Der Verdacht: Abrechnungsbetrug. „Wir gehen von einer Schadenshöhe von 3 Millionen Euro aus“, so Steltner. Die beiden Firmen sollen dem Land beim Betrieb von Flüchtlingsheimen Leistungen in Rechnung gestellt haben, die nicht erbracht wurden. Im Fokus der Ermittler stehen auch acht frühere Mitarbeiter des Landesamtes für Gesundheit und Soziales (Lageso), das vor der Gründung des neuen Amts für Flüchtlingsangelegenheiten für die Unterbringung Geflüchteter zuständig war. Die Pewobe weist die Vorwürfe als unbegründet zurück. „Sie beruhen offenbar auf fehlerhaften Berechnungen des Lageso. Unsererseits sind alle Abrechnungen korrekt vorgenommen worden.“

Auch die Firma drückt sich auf eine taz-Anfrage zum Zeitpunkt der Übergabe ihrer Flüchtlingsheime an neue Träger kryptisch aus: Sie wolle ihre Unterkünfte „ordnungsgemäß übergeben“, heißt es von der Pewobe nur – ohne ein Datum zu nennen. Die fristlose Kündigung ihrer Unterkünfte durch das Land halten Pewobe-Anwälte für „unbegründet und unwirksam. Die ebenfalls ausgesprochene ordnungsgemäße Kündigung“ hingegen sei „rechtlich grundsätzlich möglich“.

Die Pewobe habe „offensichtlich eingesehen, dass sie auf dem Feld der Flüchtlingsunterbringung nicht erwünscht ist“, so die Grünen-Abgeordnete Canan Bayram. Das Land müsse ausstehende Forderungen ­gegenüber der Firma nun schnell eintreiben, „bevor diese möglicherweise in Insolvenz geht“.