Tag der Duellanten

Irland oder die Schweiz, Frankreich oder Israel – am letzten Spieltag der Fußball-WM-Qualifikation tut sich Entscheidendes in Europas Stadien. Weniger wichtig: die Partie der Deutschen gegen China

VON MARKUS VÖLKER

Jürgen Klinsmann ist in einer mehr als kommoden Lage. Er muss sich mit seiner Mannschaft nicht dem harten Wettbewerb einer Qualifikation stellen. Die Klinsmänner dürfen in Folge des Beckenbauer’schen Beutezuges gratis an der WM teilnehmen. Am Mittwoch wird sich die DFB-Elf im Freundschaftsspiel gegen China neue Zuversicht schenken lassen vom zweitklassigen Kontrahenten aus dem Fernen Osten und nach getaner Arbeit in tiefster Seelenruhe auf das Championat im eigenen Land blicken; alle Nebengeräusche sind künstlicher Natur. Die Spannung bis zum WM-Turnier in acht Monaten wird bei den Deutschen mit Yoga aufgebaut, neuerdings auch mit öffentlichen Übungseinheiten – damit das Adrenalin nicht gänzlich versiegt.

„Spiel der Nerven“

Sind hierzulande Spiele der Nationalelf meist nur von den Fragen begleitet, ob denn die Abwehr halte und ein adäquater Ersatz für Michael Ballack bereitstehe, so geht es in europäischen Fußballlanden am Mittwoch ums Ganze. Die deutsche Nabelschau mutet Außenstehenden angesichts der heraufziehenden Brisanz als sophistisches Geplänkel an. Über ein Dutzend Teams hoffen in der WM-Qualifikation auf Platz eins, die direkte Qualifikation, oder zwei, ein Relegationsspiel. Sieben Teams haben es schon geschafft. Das sind: Ukraine, Holland, Italien, Schweden, Polen, Portugal und England. Der große Rest bangt. In der Quali-Gruppe 4 kulminiert die Spannung am letzten Spieltag. Gleich vier Teams ringen um die begehrten Plätze: Israel, der hilfslose weil spielfreie Tabellenführer, Frankreich, das zu Hause gegen Zypern antritt, sowie die Schweiz und Irland, deren Auswahlmannschaften sich miteinander duellieren. Die Schweiz braucht mindestens einen Punkt. Die Iren müssen gewinnen, wollen sie ihre vierte WM-Teilnahme sichern. „Ein Spiel wie ein Penaltyschießen“, erwartet der irische Mittelfeldspieler Matt Holland vom Match an der Lansdowne Road in Dublin. „Ein Spiel der Nerven“, prognostiziert sein Teamkollege Richard Dunne. Die Neue Zürcher beschwört „den wahren Final, den Entscheidungskampf“; dies sei kein Showdown für schwache Nerven.

„Die Schweizer Flughöhe ist seit geraumer Zeit beträchtlich und der Boden eigentlich nicht mehr in Sicht“, analysiert das Qualitätsblatt. „Dass hingegen auch die Fallhöhe noch immer außerordentlich ist, sollte in der Euphorie nicht vergessen werden.“ Dennoch ist der eidgenössische Fußball auf dem Vormarsch, woran Trainer Köbi Kuhn seinen Anteil hat. Die NZZ weiß dies gebührend zu würdigen. „Köbi Kuhn beherrscht die Klaviatur der Zwischentöne. Er schenkt Vertrauen und erntet Vertrauen. Darauf basieren die Fortschritte des Teams, die Ausgeglichenheit der Charaktere und der Kitt einer auf den Erfolg verschworenen Truppe.“ Ganz anders ins Gericht geht die irische Presse mit dem Team von Brian Kerr. Die Irish Times fragt sich: „Was tut man mit einer Gruppe von Spielern, die nicht nur ihre Rolex-Uhren in der Kabine einschließen, sondern auch ihre Herzen?“ Die Iren haben ihre beste Zeit hinter sich, zudem fehlen am Mittwoch zentrale Figuren: Roy Keane ist verletzt, Damien Duff (FC Chelsea) ebenfalls, Stürmer Robbie Keane von seiner Bestform weit entfernt. Ein Boulevardblatt empfiehlt Coach Kerr, den Angreifer „abzuservieren“. Die Schweizer trauen dem Bashing nicht so recht. „Die scharfe Kritik könnte vor dem Showdown Teil der irischen Strategie sein.“ Wachsamkeit gehört seit jeher zu den Tugenden der Eidgenossen, doch man ist auch so bereit für einen „veritablen Abnützungskampf“.