Ein ganzes Land fühlt sich gedemütigt

Mexiko Der Besuch von Hassprediger Donald Trump in ihrem Präsidentschaftspalast empörte viele Mexikaner. Doch das unkritische Verhalten von Staatsoberhaupt Enrique Peña Nieto setzte dem Ganzen die Krone auf

Hassen und hassen lassen: der Republikaner Donald Trump als Piñata in Mexiko-Stadt. Kräftig zuhauen, Kinder! Foto: Marco Ugarte/ap

von Knut Henkel

„Vuelve a casa – Geh nach Hause“, skandierten Jugendliche am Mittwoch vor dem Unabhängigkeitsdenkmal auf dem ­Paseo de la Reforma. Sie demonstrierten gegen den Besuch des US-Präsidentschaftskandidaten Donald Trump. Unter dem Hashtag „Trump – Du bist nicht willkommen“ wurden Millionen von Tweets abgesetzt und erinnerten an die Sätze, mit denen Trump in den vergangenen Monaten eine Nation gegen sich und seine anvisierten Maßnahmen zur vermeintlichen Grenzsicherung aufgebracht hat.

Die Einladung der mexikanischen Regierung an beide ­US-Präsidentschaftskandidaten hatte in Mexiko für Kopfschütteln gesorgt: „Er droht uns mit Krieg und Mauern, aber wir öffnen ihm den Nationalpalast“, kritisierte der konservative Senatspräsident Roberto Gil, sein Kollege Armando Ríos Piter von der linksliberalen (PRD) sprach von einer „unangenehmen Überraschung“. Seine Partei habe bereits eine Gesetzesvorlage eingereicht, damit Mexiko die Mauer, die Trump zwischen beiden Ländern bauen will, nicht auch noch bezahlen müsse. Gegen weitere Demütigungen verwehren sich viele Mexikaner, doch gegen „einen Präsidenten, der autoritär, der ignorant und so gar nicht intelligent ist, ist kein Kraut gewachsen“, erklärt die Sozialwissenschaftlerin Verónica Caporal.

Caporal hat viel mit Menschen zu tun, die auf der Suche nach Perspektive von Süd nach Nord emigrieren und immer wieder Opfer von korrupten Grenzbeamten, Kartellen, Menschenhändlern und skrupellosen Unternehmern werden – Migranten aus Mittelamerika wie Mexiko. Frauen wie Männer, die in die Prostitution gezwungen werden, als billige ArbeitssklavInnen auf Erdbeerplantagen in Mexiko, aber auch in den USA missbraucht werden oder in einer der Weltmarktfabriken an der Grenze zu den USA, in ­Ciudad Juárez oder Tijuana, ausgepresst werden.

Diese Migranten will der Kandidat der Republikaner nicht mehr haben, am liebsten den Nafta-Freihandelsvertrag mit Kanada und Mexiko neu verhandeln, weil er angeblich zu viele Vorteile für die Mexikaner biete. Das sorgt vor allem bei sozialen Organisationen in Mexiko für Empörung, denn unstrittig ist, dass Mexiko nach der Unterzeichnung des Nafta-Freihandelsvertrages deutlich mehr als eine Million Jobs in der Landwirtschaft eingebüßt habe, so Ana de Ita, Soziologin am Studienzentrum für den ländlichen Wandel in Mexiko.

Peña Nieto überließ Trump die Bühne und agierte wie ein Wahlkampfhelfer

Im ganzen Land wird Unverständnis geäußert, warum Enrique Peña Nieto einen Politiker einlädt, der eine ganze Nation stigmatisiert, diskriminiert und es nicht einmal in der Residenz des Präsidenten für nötig hält, sich für Entgleisungen der Vergangenheit zu entschuldigen. Das hätte, so der Tenor in den sozialen Netzen, Peña Nieto zumindest einfordern müssen. Doch Mexikos Präsident überließ Trump die große Bühne und agierte wie ein Wahlkampfhelfer des in Mexiko so unbeliebten Republikaners. Für Carlos Loret de Mola, Moderator bei dem regierungsnahen Fernsehkanal Televisa, war die „Demütigung nun vollendet“.

Für Mexikos Präsidenten, dessen Rede an die Nation, in der es wenig Positives zu vermelden gibt, noch ansteht, scheint das Treffen nach hinten loszugehen. Seine Umfragewerte könnten weiter abrutschen. Ein Indiz dafür ist der Shitstorm, der ihn derzeit ereilt. Ein User twittert: „Wenn Trump in den Umfragen dadurch auch nur einen Punkt gewinnt, ist es unverzeihlich.“ Und ein anderer Tweet bemüht historische Vergleiche: „Es ist das Schlimmste, was ein Präsident getan hat – seit Texas verkauft wurde.“