Rosenkrieg in Lilienthal

Lauter Abgang Lilienthals grüner Bürgermeister Willy Hollatz tritt nach 30 Jahren aus seiner Partei aus. Dabei wettert er gegen seine mögliche Nachfolgerin Erika Simon

Will die grüne Spitzenkandidatin in Lilienthal nicht unterstützen: Bürgermeister Willy Hollatz Foto: Michael Bahlo

von Gareth Joswig

Es gab eine Zeit, da war die Welt zu Gast in Lilienthal. Der Grund dafür war der Astronom Johann Hieronymus Schroeter, der gestern auf den Tag genau vor 200 Jahren gestorben ist. Zu Lebzeiten hatte er in seiner Lilienthaler Privatsternwarte das beste und größte Teleskop der Welt.

Im 21. Jahrhundert sorgt die Gemeinde selten für Gesprächsstoff. Das ist derzeit anders: Die Grünen um den Bürgermeister Willy Hollartz zerlegen sich gerade öffentlich – kurz vor den Kommunalwahlen am 11. September. Der grüne Noch-Bürgermeister Hollatz ist nach 30 Jahren aus seiner Partei ausgetreten, um seine Nachfolgekandidatin Erika Simon anzugreifen. „Das sind nicht mehr meine Grünen“, erklärte er.

Hollatz saß im Gemeinderat, im Kreistag und wurde 2004 schließlich Bürgermeister in Lilienthal. 2011 wurde er mit 73,4 Prozent der Stimmen im Amt bestätigt. In der letzten Kommunalwahl hatten die Grünen dort so gute Ergebnisse wie sonst kaum im Norden: Mit 34,4 Prozent sind sie die stärkste Fraktion im Rathaus Lilienthal und eine der stärksten in Niedersachsen – ein Verdienst Hollatz’. Ende 2015 kündigte er dennoch an, vorzeitig Schluss zu machen – zur beruflichen Neuorientierung und aus persönlichen Gründen.

„Systematisch gegen mich“

Damals sagte er: „Die Öffentlichkeit und den Rat frühzeitig zu informieren, ist für mich ein Gebot der Fairness.“ Vollkommen überraschend für die Parteikollegen und die Öffentlichkeit hat er nun seinen Austritt erklärt und die dortigen Grünen angegriffen.

Seine Begründung: „Frau Simon arbeitet seit Monaten systematisch gegen mich und die Verwaltung, um sich eine gute Ausgangsposition für die Kandidatur zu verschaffen.“ Er vermisse eine Zusammenarbeit mit der grünen Fraktion, könne ihre Kandidatur nicht unterstützen. Er wolle nicht, dass seine Bürgermeisterschaft unter diesen Umständen leise endet – „das bin ich meinen Wählern schuldig“.

Erika Simon findet die Schärfe des Angriffs „befremdlich“. Wie sie sich die Vehemenz erklärt? „Ich sitze seit fünf Jahren im Rat und habe immer sehr umfängliche Informationen verlangt – auch kritische Anfragen gestellt.“ Sie habe immer wieder Fragenkataloge an die Verwaltung gerichtet. Zahlreiche Fragen zum Jahres-Abwasserabschluss oder zu einer „Fallkante“ an einem hohen Fahrradweg. Die Verwaltung, also Hollatz, ist verpflichtet, wahrheitsgemäß zu antworten. Ein normaler, aber aufwändiger parlamentarischer Vorgang.

Können sich nicht aus dem Weg gehen

„Ich habe viel Arbeit und Zeit investiert. Das war die Verwaltung nicht gewohnt“

Erika Simon, grüne Bürgermeister-Kandidatin

„Ich habe viel Arbeit und Zeit investiert. Das war die Verwaltung hier nicht gewohnt“, sagt Simon. Und: Ihre Anfragen im Rat seien stets konstruktiv gewesen.

Hollatz sieht das anders: „Simon stellt nicht nur Fragen wegen der Sache, sondern um sich in den Vordergrund zu spielen. Sie will gut aussehen“, glaubt er. Laut Hollatz hätte man viele Fragen außerhalb des Rates klären können: „Gerade, wenn man derselben Partei angehört.“

Der Bürgermeister übt auch Kritik am Kreisverband Osterholz, namentlich an dessen Sprecher Wolfgang Goltsche. Der habe sich in „Angelegenheiten des Ortsverbandes eingemischt“, als er in einem Gespräch mit Simon und dem potentiellen Mitkandidaten Stephan Limberg letzterem die Kandidatur zum Bürgermeister ausgeredet habe. Laut Simon war er der Wunschkandidat von Hollatz.

Aus dem Weg gehen können sich die beiden nicht: Gestern haben sich Hollatz und Simon beim Gedenkfest zum 200. Todestag des Astronomen Schroe­ters gesehen – immerhin haben sie sich gegrüßt, wenn auch nicht unterhalten. Man muss nicht in die Sterne schauen, um zu wissen, wie sich das für die Grünen auf die Kommunalwahl auswirkt.