Tauschbörsen für Muttermilch

NEONATOLOGIE Am Universitätsklinikum Eppendorf soll eine Muttermilchbank entstehen. Ebenso in Niedersachsen. Jahrelang setze man stattdessen auf künstlichen Ersatz. Dabei ist die echte Muttermilch wesentlich gesünder für die Kinder und besonders wichtig bei Neugeborenen

Ab Herbst wird es am Universitätsklinikum Eppendorf (UKE)in Hamburg die erste Muttermilchbank des Nordens geben. Dann können Mütter mit einem Überschuss an Milch diese für bedürftige Neugeborene spenden. Denn nicht jede Mutter kann ihr Kind direkt nach der Geburt mit Milch versorgen, gerade bei zu früh Geborenen kann es zu einem Engpass von zwei bis drei Wochen kommen. Bisher wurde im UKE industriell hergestellte Ersatzmilch verwendet, um diese Zeit zu überbrücken. Laut Dominique Singer, Leiter der Neonatologie des UKE, ist diese zwar nicht schädlich, kann aber die spezielle Wirkung der Muttermilch nicht ersetzen.

Die Muttermilch ist für Neugeborene die beste Nahrung, da sie durch ihre spezielle Zusammensetzung nicht nur ernährt, sondern auch vor Infektionen schützt.

Babys anfällig für gefährliche Erreger

Die Darmwand bei Neugeborenen sei noch nicht gegen Infektionen gewappnet und daher sehr anfällig für gefährliche Erreger, erklärte Singer. Die Muttermilch erschaffe ein bakterielles Klima im Darm, welches diese Erreger abwehrt. Zusätzlich soll sich Muttermilch positiv auf die neurologische Entwicklung auswirken, was allerdings wiederum wissenschaftlich noch nicht bewiesen sei.

Muttermilchbanken sind dabei keine neue Erfindung. In den 1970er-Jahre gab es einige in Hamburg. Als die industriell hergestellte Ersatzmilch auf den Markt kam, verschwanden die Milchküchen im damaligen Westen Deutschlands. Im Osten existierten sie weiter, und auch heute gibt es in den neuen Bundesländern aktuell noch 13 Muttermilchbanken.

„Gott sei Dank gibt es die langen und guten Erfahrungen aus den östlichen Bundesländern“, sagte Singer. Besonders die Milchbank in Leipzig unterstütze das UKE bei der Realisierung des Projekts.

Private „Muttermilchbörse“

Den Anstoß für die Etablierung einer Muttermilchbank am UKE gab eine private „Muttermilchbörse“, welche mittlerweile nicht mehr verfügbar ist. Tanja Müller hatte diese Online-Börse für Muttermilch ins Leben gerufen. Auf einer Internetseite konnten Mütter ihre überschüssige Milch anbieten und von Interessenten kontaktiert werden. Die private Weitergabe von Muttermilch birgt laut Singer ein „hohes Risiko“, da Krankheiten übertragen werden können und man nicht kontrollieren kann, ob die Milch gestreckt oder verunreinigt wurde. Und durch das hohe Interesse von Müttern an der Börse sei dann die Idee einer Milchbank am Klinikum entstanden.

„Uns ist es besonders wichtig, dass unsere Muttermilchbank in jeder Richtung sicher ist“, sagte Singer – aus rechtlicher genauso wie aus medizinischer Sicht. Seit einem Jahr beschäftigt sich Anne Sunder-Plassmann als Projektkoordinatorin daher mit allen Aspekten, die bei der Einrichtung der Muttermilchbank zu berücksichtigen sind. „Im Osten gibt es die Infrastruktur noch: Milchküchen, Personal und erfahrene Ärzte“, sagte Sunder-Plassmann. „Hier müssen wir ganz von vorne beginnen.“

Alte Bundesländer holen auf

Weltweit sei eine Tendenz zu mehr Milchbanken erkennbar, sagte Singer. Deutschland müsse trotz der langen Tradition noch aufholen. Es scheint aber ein Trend zu sein, der sich auch in den alten Bundesländern durchsetzt. In Dortmund und München existieren bereits Banken.

Und auch Niedersachsen will nun nachziehen. Im Landtag zeichnete sich am Mittwoch ein parteiübergreifendes Bündnis für einen entsprechenden Antrag von SPD und Grünen ab. Die Sammelstelle soll zunächst als Modellprojekt einer Kinderklinik angeschlossen werden. Private Initiativen sollen mit einbezogen werden.

Am UKE sollen zunächst nur die Frühgeborenen versorgt werden. Ungefähr zehn Prozent der Kinder sind Frühgeburten und kommen schon vor der 37. Woche zur Welt. Zu den sehr kleinen Frühgeborenen zählen die, die weniger als 1.500 Gramm wiegen. Besonders für diese Kinder ist die gespendete Milch sehr wichtig. Durch die anstrengende und zu frühe Geburt hätten die Mütter oft noch keine eigene Milch, erklärte Singer. Aber gerade die extrem unreifen Kinder profitieren von der Ernährung mit Muttermilch, anstelle von industrieller Ersatzmilch.

Finanziert durch Spenden

Sofern es sich etabliert, soll das Projekt den ganzen Großraum Hamburg versorgen. Die größte Schwierigkeit liegt dabei in der Finanzierung: von offizieller Seite gebe es keine Gelder, erklärte Sunder-Plassmann. „Wir sind vollständig auf Spendengelder angewiesen.“ Mit dem Geld entscheide sich auch, in welchem Umfang die Milchbank arbeiten könne. „Viele Frauen möchten ihre Milch spenden“, sagte Sunder-Plassmann, aber die medizinischen Tests, die Lagerung und das Personal seien sehr kostenintensiv. Sicher ist, dass die gespendete Milch für die Familien der zu früh Geborenen völlig kostenfrei sein wird. Pia Siber

Mit Material von dpa