ProblemBER

Der Großflughafen (BER) betrifft alle Berliner, Proteste gibt es aber nur am Rand

■ Protest-Weihnachtssingen Am Montag, 17. 12., um 19 Uhr auf dem Marktplatz Friedrichshagen (nahe S-Bhf. Friedrichshagen)

■ Friedrichshagener Initiative Die Bürgerinitiative im Osten der Stadt wendet sich gegen die Müggelseeflugroute und setzt sich für ein bundesweites Nachtflugverbot ein (www.fbi-berlin.org)

■ Initiative gegen Nachtflug Initiativseite des Volksbegehrens

(www.nachtflugverbot-ber.de)

Die Gegner des neuen Großflughafens BER hatten in der vergangenen Woche Grund zum Feiern. Mit mehr als 106.000 Unterschriften war ihr Volksbegehren für die Ausweitung des Nachtflugverbots erfolgreich. Nun ist der Brandenburger Landtag am Zug. Setzt er die Forderungen des Begehrens nicht um, wird es einen Volksentscheid geben. So sieht es der Gesetzgeber vor.

Der Erfolg in Brandenburg war für die Protestbewegung von großer Bedeutung, beendet er doch eine Serie von Rückschlägen: Im September waren die Berliner NachtfluggegnerInnen mit ihrem Volksbegehren an der Unterschriftenhürde gescheitert. 30.000 Unterschriften hatten den Fluglärm-GegnerInnen gefehlt. Darüber hinaus lehnte Ende Juli das Leipziger Bundesverwaltungsgericht die Klage mehrerer Gemeinden gegen den Planfeststellungsbeschluss des BER ab. Die KlägerInnen monierten, bezüglich der Flugrouten getäuscht worden zu sein.

Doch wie geht es jetzt weiter? Hat das Volksbegehren Wirkungen auch für die Bewegung in Berlin? Nach dem erfolgreichen Volksbegehren suchen die AktivistInnen in Brandenburg nun das Gespräch mit der Politik. Wie Stefan Lippold berichtet, wolle man erreichen, dass der Landtag das Volksbegehren annimmt. Genauer solle den PolitikerInnen klargemacht werden, welche Folgen der BER für das Land Brandenburg habe. „Der BER schadet nicht nur den Anwohnern, die Kosten für das Flughafen trägt das ganze Land“, sagt Stefan Lippold vom Anti-Fluglärm-Aktionsbündnis für ein lebenswertes Berlin-Brandenburg.

Sollte es doch zum Volksentscheid kommen, wissen die BER-GegnerInnen, dass viel Arbeit auf sie zukommt: In Brandenburg müssen ein Viertel der Wahlberechtigten mit Ja stimmen, damit dieser gültig ist. In absoluten Zahlen gesprochen wären das circa 500.000 Stimmen. Um diese Zahl zu erreichen, müssten BürgerInnen aus dem ganzen Bundesland mobilisiert werden. Hier wären dann auch die Aktiven aus Berlin zur Unterstützung gefragt. „Natürlich werden wir dann wieder gemeinsam in Brandenburg mobilisieren“, sagt Aktivist Manfred Kurz aus Friedrichshagen. Die Brandenburger haben sich auch schon nach weiteren MitstreiterInnen umgesehen. Sie haben sich unter anderem mit Studierenden der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus und der Fachhochschule Lausitz solidarisiert, die zurzeit gegen die Zusammenlegung ihrer Unis protestieren. Die AktivistInnen hoffen umgekehrt auch auf Unterstützung bei dem Volksentscheid. „Wir müssen stärker zusammenhalten“, sagt Lippold.

Auch in der Hauptstadt wird weiterhin gegen den BER protestiert. Immer montags kommt Bewegung auf: Seit anderthalb Jahren protestieren regelmäßig knapp tausend Bürger auf dem Marktplatz in Friedrichshagen gegen die Flugrouten und für ein Nachtflugverbot. Die Menschen hier erzürnt vor allem die Abflugroute 25, die über den Müggelsee führt und eine der am stärksten frequentierten Routen des BER werden dürfte.

Der Müggelsee, über den die Route 25 führt, ist mit Abstand der größte See Berlins und ein beliebtes Naherholungsgebiet. Das ganze Areal ist ein Fauna-Flora-Habitat, welches mehrere Schutzgebiete vereint. Am Ostufer leben bedrohte Tierarten wie der Seeadler. Mit der Ruhe könnte es hier bald vorbei sein. Die große Wasserfläche verstärkt den Schalldruck, das führt zu Maximalpegeln von 100 dB. Auch Medizinprofessor Hans Behrbohm äußert Bedenken. Die Gegend um den Müggelsee ist das größte Kaltluftentstehungsgebiet der Stadt, quasi ein Ventilator der Metropole. Bei Ostwind wird die Luft in die Innenstadt gedrückt. Und gerade im Take-off-Modus findet die größte und zugleich schädlichste Emission statt. Der dabei ausgestoßene Feinstaub ist besonders fein und verteilt sich leicht.

Gerade am Ausflugsziel Müggelsee zeigt sich, dass das Thema Fluglärm nicht nur die Randgemeinden, sondern alle BerlinerInnen betrifft. Trotzdem wird den BBI-GegnerInnen aus Friedrichshagen nicht selten mit Kritik begegnet. Dabei geht es ihnen um viel mehr als Kleingartenmentalität. „Es gibt keinen Tellerrand bei dieser Problematik. Zudem haben wir uns längst mit anderen Initiativen zusammengeschlossen, es gibt ein Bündnis Berlin-Brandenburg und eine bundesweite Allianz für ein Nachtflugverbot zwischen 22 und 6 Uhr“, sagt Ralf Müller, Aktivist aus Friedrichshagen, dazu. Auch andere Themen wie das Flughafenasyl werden behandelt. Darüber hinaus gehe die Demokratiefrage alle an, finden die FlughafengegnerInnen. Die Menschen fühlen sich betrogen. Für sie ist „Mitbestimmung“ nur noch eine hohle Phrase. Passend dazu stellt der Rechtswissenschaftler Detlef Czybulka fest, dass die Trennung des Flugrouten-Festlegungsverfahrens von dem Planfeststellungsverfahren zu einer Rechtslücke führt. Denn bei der Festlegung der Flugrouten ist keine Bürgerbeteiligung vorgesehen.

Der neue Großflughafen bietet viel Fläche für Kritik und auch 2013 wird der Protest weitergehen. In Friedrichshagen wird gerade das Protest-Weihnachtssingen für kommenden Montag vorbereitet. Unter dem Motto „Stille Nacht?“ hatten sich bereits im letzten Jahr knapp tausend BürgerInnen auf dem Marktplatz versammelt, um auf weihnachtliche Weise ihren Protest zum Ausdruck zu bringen. Mit Posaunenchor und Instrumentalbegleitung wird das zweite Protestjahr ausgeläutet. Alles wird an diesem Tag ein wenig lauter und leiser zugleich.

LUKAS DUBRO, FELIX KLICKERMANN