piwik no script img

„Ich war eher faul und ziemlich behaart“

Beachvolleyball Auf dem brasilianischen Duo Alison/Schmidt lastet vor dem Finale viel Druck. Auch, weil andere versagen

RIO DE JANEIRO taz | Alison steht da wie ein Bär und erzählt, dass das mit dem Druck schon irgendwie hinhaue. Ganz Brasilien erwartet den Titel von ihm und Bruno Oscar Schmidt. Nach dem Halbfinalsieg gegen die Niederländer Alexander Brouwer und Robert Meeuwsen sieht es auch gut aus. Das Finale steigt am frühen Freitagmorgen (5 Uhr MESZ) gegen Paolo Nicolai und Daniele Lupo aus Italien.

Dabei war es ein Abend, der zuerst überhaupt nicht gut lief für das brasilianische Olympiateam. Die Fußballmannschaft der Frauen war im Elfmeterschießen gegen Schweden ausgeschieden, später scheiterten die Volleyballerinnen im Viertelfinale an China. In der Beach­volleyballarena verloren Larissa und Talita gegen die Deutschen Kira Walkenhorst und Laura Ludwig. Es war nicht irgend eine Niederlage. Vielmehr eine Vorführung, die der Fußball-Schmach von Belo Horizonte bei der WM 2014 gleichkam, dem 1:7.

Völlig überdreht erzählten die Deutschen dann auch noch, dass sie vorher von Brasilianern auf dieses 1:7 angesprochen worden waren und ob sich so etwas auch im Beachvolleyball wiederholen könne. Aber das schien ausgeschlossen in einer Sportart, deren finale Spiele eigentlich immer eng zugehen. Doch dann stand da dieses Ergebnis: 18:21, 12:21. Kaum zu fassen, auch für die Deutschen. Das brasilianische Publikum war baff.

Alison Cerutti und Bruno Schmidt mussten es also keine halbe Stunde nach dem Ausscheiden von Larissa und Talita richten, gegen das 1:7-Gefühl ankämpfen. Sie schafften das im dritten Satz knapp, genauso wie die Brasilianerinnen Agatha und Barbara, die ins Finale gegen Walkenhorst/Ludwig einzogen.

Die Zuschauer standen da schon längst in diesem Stadion mit Meerblick. Sie kreischten, schrien, tanzten. Und unten lag Alison, der Bär, nach dem Sieg fast eine Minute lang im Sand, erschöpft und erleichtert. Der Bär, so stellte sich später in der journalistischen Kontaktzone heraus, ist eher ein Mammut.

So nennen ihn seine Freunde, nach dem Urviech aus dem Streifen „Ice Age“. Alison ist immer noch ein freundlich-tapsiger Riese, der keinem einen Wunsch abschlagen kann und zum Beispiel geduldig die Bedeutung seiner Tattoos (ein Mammut auf der Hüfte) erklärt, doch so schluffig wie früher ist er nicht mehr drauf. „Damals habe ich etwas in den Tag hinein gelebt“, sagte er. Man glaubt ihm das sofort. In einem Interview hat er sein Herumhängen mal so auf den Punkt gebracht: „Ich war eher faul und ziemlich behaart.“ In diesen Tagen muss er verdammt hart schuften, aber das passt schon.

Während Bruno Schmidt, mit 1,85 Meter der kleinere der beiden, ein wenig leer wirkte nach dem Spiel, konnte Alison seine Verschleißerscheinungen zumindest gut verbergen. Wer ein Selfie wollte, bekam eins. Jubelten die Fans, jubelte Alison zurück. Dann trollte sich der Bär. Wahrscheinlich war das Match weniger anstrengend als dieser Schwimmkurs durch ein Meer von Begehrlichkeiten.

Markus Völker

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen