Silberschützin Die Berliner Polizeimeisterin Lisa Unruh feiert die erste olympische Einzelmedaille, die im Bogenschießen an eine Athletin aus Deutschland vergeben wurde, mit der ihr eigenen Zurückhaltung
: Bei sich geblieben

Anglerhut – steht ihr gut: Lisa Unruh, Silbermedaillengewinnerin im Bogenschießen Foto: Srdjan Suki/dpa

Rio DE JANEIRO taz | Die Silbermedaille hatte Lisa Unruh im Sambodrom gewonnen, und das beim größten Event des globalen Sports. Doch die Berliner Bogenschützin, die mit einem schlammfarbenen Anglerhut zu den Knock-out-Duellen angetreten war, erweckte den Eindruck, dass sie den Bezirkswettkampf von Berlin-Lichtenberg gewonnen hätte. „Ich bin immer gefasst, da wird mal kurz gefeiert, und dann ist auch wieder gut“, sagte sie.

Bei den Fernsehinterviews, die anstanden nach ihrem Coup, ging sie für ihre Verhältnisse noch ziemlich aus sich heraus. Als sie später mit den Zeitungsleuten sprach, hatte sie einen Teil ihrer Euphorie schon wieder aufgebraucht. „Dass ich Silber gewonnen haben, nun ja …“ Lisa Unruh, die Polizeimeisterin aus Ostberlin, sie ist der Inbegriff einer spröden Athletin. Wer sie schon einmal interviewt hat, der weiß, wie schwierig es ist, ihr etwas über ihren wunderschönen Sport zu entlocken.

Das Medienzeug ist ihr eher lästig. Sie gibt sich auch keine große Mühe, das zu verbergen. Gut, dass sie jetzt so erfolgreich war, denn im Falle einer Pleite wäre auf die Presseleute ganz schön was zugekommen: „Manchmal muss ich aufpassen, dass ich keine genervten Antworten gebe“, sagte sie der taz vor ein paar Wochen. „Bei Olympia kann ich ja nicht sagen: Geh mal weg, ich will meine Ruhe haben.“

Im Sambodrom habe sie „ihr Ding“ für sich selber durchziehen wollen, „ich wollte einfach bei mir bleiben“. Zwischen den Schießeinlagen mit Blick auf eine Favela meditierte die Berlinerin, im Finale war sie schließlich der Südkoreanerin Chang Hye-jin, Nummer acht der Welt, unterlegen. Südkorea ist die führende Nation im Bogenschießen, was man schon daran gesehen hat, dass zwei Dutzend ko­rea­nische Journalisten die Mixed Zone verstopften. „Die Koreaner schießen 7, 8 Stunden am Tag mit dem Ziel, für das Alter auszusorgen“, sagt ­Unruh. Warum die so gut sind? „Mit den Asiaten kann man menschlich anders umgehen als mit Europäern.“ Wie jetzt? Die könne man halt drillen.

Sie selbst schießt aber auch jeden Tag, hat zudem noch Kraft- und Laufeinheiten, und mit einem Psychologen spricht sie auch regelmäßig. Angefangen hat Unruh mit Leistungsschwimmen, vor allem Kraul und Rücken, aber in der 6. Klasse wurde sie schlechter. Sie wechselte zum Bogenschießen und war schnell bei der Kadetten-WM erfolgreich. Jetzt hat sie angekündigt, „das Temperament von diesem Land ein bisschen mitzunehmen“. Es würde ihr bestimmt guttun. Markus Völker