Diskriminierung

Zehn Jahre nach Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes wird die Forderung nach einer umfassenden Reform laut

Extrawürste für die Kirchen

Ausnahmen Gerichte müssen klären, ob kirchliche Arbeitgeber selbst bestimmen dürfen, für welche Beschäftigten Einschränkungen im Privatleben gelten

FREIBURG taz | Die kirchennahen Sozialkonzerne – die evangelische Diakonie und die katholische Caritas – beschäftigen zusammen über eine Million Menschen. Zwar gilt auch dort das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) – aber nur mit zwei wichtigen Ausnahmen.

So kann von Diakonie- und Caritas-Mitarbeitern die Mitgliedschaft in der jeweiligen Kirche verlangt werden. Zudem können spezielle Loyalitätspflichten aufgestellt werden, die vor allem bei katholischen Einrichtungen auch das Privatleben betreffen. So sind dort homosexuelle Partnerschaften ebenso verboten wie die Wiederheirat von Geschiedenen.

Umstritten ist vor allem, ob diese Pflichten für die gesamte Belegschaft kirchlicher Krankenhäuser, Kindergärten und Pflegeheime gelten – oder nur für „verkündungsnahe“ Tätigkeiten. Der aktuelle Evaluationsbericht der Antidiskriminierungsstelle des Bundes plädiert für Letzteres – allerdings ohne zu definieren, wann eine Tätigkeit „verkündungsnah“ ist. Für Pfarrer, Mönche und Nonnen gilt das AGG ohnehin nicht, da es sich hier um keine normalen Arbeitsverhältnisse handelt.

Das Bundesverfassungsgericht urteilte bisher kirchenfreundlich. Demnach können evangelische und katholische Kirchen selbst entscheiden, welche Tätigkeiten für ihre Glaubwürdigkeit so wichtig sind, dass dort kirchliche Sonderanforderungen erfüllt werden müssen.

Die kirchlichen Sonderrechte im AGG sind keine deutsche Erfindung. Auch in den zugrunde liegenden Richtlinien der Europäischen Union wird auf die kirchlichen Bedürfnisse Rücksicht genommen. Weil insofern aber auch EU-Recht relevant ist, hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) 2016 dem Europäischen Gerichtshof schon zwei Fälle vorgelegt.

Im einen Fall ging es um eine befristete Stelle beim Diakonischen Werk. Dort wurde ein Autor für eine Anti-Rassismus-Studie gesucht. Verlangt wurde die Mitgliedschaft in einer christlichen Kirche. Hier will das BAG wissen, ob es mit europäischem Recht vereinbar ist, wenn die Kirchen selbst bestimmen können, wie weit ihre Sonderrechte reichen.

Im zweiten Fall war ein katholischer Chefarzt nach seiner Wiederheirat von einem katholischen Krankenhaus gekündigt worden. Hier fragt das BAG, ob die Klinik auch dann Loyalitätspflichten aufstellen darf, wenn diese nur für die katholischen Beschäftigten gelten, nicht aber für Andersgläubige und Konfessionslose.

Die Urteile des EuGH zu beiden Fällen werden im kommenden Jahr erwartet. Christian Rath