Sterben und sterben lassen

Hamburgs Justizsenator Roger Kusch (CDU) hat mit seinem Plädoyer für die Sterbehilfe eine hitzige Diskussion entfacht. Widerspruch kommt von allen Seiten, die Hospizbewegung spricht von „Populismus in Reinkultur“

„Bravo, Senator Kusch. Ich stehe da ganz hinter Ihnen“, ließ sich der Schriftsteller Ralph Giordano gestern im Hamburger Abendblatt zitieren. Viel Gesellschaft hatte er dabei nicht. Einen Tag nach Kuschs Plädoyer für die Sterbehilfe hagelte es gestern vor allem Kritik für Hamburgs CDU-Justizsenator.

„Als Christen sagen wir, das Leben ist uns von Gott anvertraut und wir sollen es in Würde zu Ende bringen“, meinte die Hamburger Bischöfin Maria Jepsen, und Bundesjustizministerin Brigitte Zypries verkündete: „Sterbehilfe ist und bleibt in Deutschland verboten.“ Selbst die Junge Union Hamburg verweigerte dem Justizsenator die Gefolgschaft: „Die Tötung eines Menschen darf nicht unsere Antwort auf Krankheit und Leid sein“, erklärte der Landesvorsitzende André Trepoll (28).

In seinem vorgestern im Hamburger Abendblatt abgedruckten Plädoyer hatte Kusch geschrieben, „verantwortungsvolle, mitfühlende Sterbehilfe“ sei für ihn „kein Verstoß gegen humane Grundwerte, sondern ein Gebot christlicher Nächstenliebe“. In der gestrigen Ausgabe der FAZ legte er nach: „Der Staat“, so der Justizsenator, „hat den Wunsch des Todkranken nach Hilfe beim Sterben uneingeschränkt zu respektieren.“

Kuschs Plädoyer zielt auf den Paragrafen 216 des Strafgesetzbuchs, der „Tötung auf Verlangen“ unter Strafe stellt. Lediglich „Beihilfe zum Selbstmord“ ist in Deutschland straffrei. Allerdings endet die Beihilfe bereits nach dem Hinstellen des Giftcocktails, unmittelbar danach geht sie in den Bereich der „unterlassenen Hilfeleistung“ über.

Sollten also, wie Kusch fordert, todkranke Patienten vom Arzt zu Tode gespritzt werden dürfen, wenn sie diesen ihren Willen notariell haben beglaubigen lassen? Die schärfste Kritik an diesem Szenario kommt von Seiten der Hospizbewegung. „Das ist schlicht Volksverdummung“, schäumte gestern Eugen Brysch von der Deutschen Hospiz Stiftung. Kusch meine wohl, „durch den staatlich abgesegneten Tod Missstände in der Versorgung von Menschen am Lebensende lösen zu können“.

Die Hospiz Stiftung befürchtet, dass mit der aktiven Sterbehilfe ihr Missbrauch unabwendbar einhergehen würde. Wer kann schon wissen, ob der Wille eines todkranken Patienten frei oder unter Druck geäußert wird? „In der Praxis läuft das so nicht, wie Kusch das beschreibt“, sagt Elke Simon von der Stiftung gestern gegenüber der taz. Simon verweist auf das Beispiel Niederlande, wo aktive Sterbehilfe zugelassen ist, und zitiert eine Studie der Universität Rotterdam. Danach seien von 4.000 Menschen, die angeblich auf eigenen Wunsch zu Tode befördert wurden, 1.000 nicht ernsthaft nach ihrem Willen gefragt worden.

Die Hospiz Stiftung setzt demgegenüber ausschließlich auf Schmerzmedizin und Sterbebegleitung. Der willentlich herbeigeführte Tod ist im Hospiz nicht vorgesehen. Die Stiftung hat darum auch vehement protestiert, als die Schweizer Sterbehilfsorganisation „Dignitas“ vor drei Wochen ihr Deutschlandbüro in Hannover eröffnete (taz nord berichtete). „In Deutschland fällt uns zum Glück mehr ein, als gegenüber den Verzweifelten zu kapitulieren“, hatte Hospiz-Chef Brysch gewettert.

Dennoch ist es so, dass bereits 253 Deutsche mit Hilfe von „Dignitas“ in der Schweiz ihren Tod fanden. Das Bedürfnis scheint da zu sein. Roger Kusch hat mit „Dignitas“ keine Probleme. Durch den Verein, sagte er der FAZ, sei das Thema wieder an die Öffentlichkeit gekommen. wie