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Heiliges Hupen

Konzert in der Christianskirche widmet sich dem 1970 verstorbenen Free-Jazz-Saxophonisten Albert Ayler

Er selbst ordnete sich einmal ganz oben ein: „John war der Vater, Pharoah der Sohn, und ich war der Heilige Geist.“ Gemeint waren John Coltrane und Pharoah Sanders, und so hätte sich Albert Ayler, dem das Bonmot zugeschrieben wird, mal eben zu einem der drei wichtigsten Saxophonisten erklärt, die den Free Jazz geprägt haben.

Um im Bild zu bleiben: Durchaus seine Berechtigung hätte es, Sanders im Gefolge Coltranes zu sehen – stilistisch wie biographisch. Ob und wie sich in den einschlägigen Glaubenssystemen nun das Verhältnis zwischen Vater und Sohn unterscheidet von jenem beider zum Heiligen Geist, darüber mögen Theologen befinden. Der Sound von Albert Ayler (1936–1970) jedenfalls hat wenig zu tun mit dem der beiden anderen.

Seine Auflösung konventioneller Ausgangslagen – anrührende, beinahe folkloristische Weisen und an die Begräbnismusik des US-amerikanischen Südens gemahnende Marschvariationen – in quälend schöne Dissonanz und blanken Lärm sorgte in den frühen 60er Jahren selbst bei solchen Kritikern für Ratlosigkeit oder Ablehnung, denen die Sprache des einige Jahre zuvor etablierten Free Jazz durchaus nachvollziehbar war. Lange herrschte Streit, ob Ayler ein begnadeter Zerstörer sei – oder ein tatsächlicher Dilettant.

Mag dieser vermeintliche musikalische Anarchismus – zu dessen Formulierung dem Mann aus Cleveland gerade mal acht dokumentierte Jahre blieben, ehe er 1970 unter bis heute ungeklärten Umständen tot aus dem New Yorker East River gefischt wurde – auch immer wieder mal als politisch inspiriert gedeutet worden sein: Durchaus passend ist, wenn jetzt ein Konzert mit Werken Aylers ausgerechnet in der Christianskirche veranstaltet wird.

Im Rahmen der dortigen „Jazz & Spirit“-Reihe widmet sich ein Trio aus dem experimentellen Gitarristen Alexander Dannullis, Schlagzeuger Kay Lübke und dem Kontrabassisten Jan Roder – verstärkt um diverse Gäste – eben nicht zuletzt einem Musiker, dem es um eine erklärt universelle spirituelle Funktion der Musik ging. Dass Aylers Musik, die er gegen Ende gar zur „heilenden Kraft im Universum“ erklärte, nicht eben den Erwartungen an klassische Kirchenmusik entspricht – sei‘s drum. Zumindest in diesem Gotteshaus hat man da bereits so seine Erfahrungen gemacht. aldi

Fr, 14. 10., 20 Uhr, Christianskirche Ottensen (Susettestr. 11)

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