VW fährt Produktion wieder hoch

Industrie Volkswagen einigt sich im Streit mit seinen Zulieferern. In der Bundespolitikflammt jetzt eine Debatte über präzisere Regeln für das Kurzarbeitergeld auf

Von Richard Rother

BERLIN | Der beispiellose Machtkampf zwischen Volkswagen und zwei sächsischen Zulieferfirmen ist beendet. Beide Seiten einigten sich darauf, dass die Zulieferer ihren Lieferboykott beenden. Bereits am Dienstag wurden in Sachsen Lastwagen mit dringend benötigten Autoteilen auf die Reise geschickt. Die Unterbrechung der Produktion, zu der sich VW in sechs Werken gezwungen sah, dürfte damit Schritt für Schritt wieder aufgehoben werden.

Über den Inhalt ihrer Einigung vereinbarten beide Seiten Stillschweigen. Möglich ist also, dass VW in einem Kompromiss den finanziellen Forderungen der Zulieferer entgegengekommen ist; oder dass die Zulieferer klein beigegeben haben, weil letztlich der öffentliche und juristische Druck zu stark geworden war. VW hatte ja einstweilige Verfügungen erwirkt, die die Firmen zur Lieferung verpflichteten – und mit dem Gerichtsvollzieher gedroht. Die beiden Zulieferfirmen hatten den Lieferstopp mit einer Weigerung von Volkswagen begründet, Schadenersatzzahlungen für einen gestrichenen Auftrag zu leisten. Dabei soll es um knapp 60 Millionen Euro gehen.

Unklar ist auch, wie die weitere Zusammenarbeit zwischen den Zulieferern, die Sitzbezüge und Getriebeteile herstellen, und dem Wolfsburger Konzern aussieht, der im Einkauf auch wegen der Milliardenstrafen im Zuge des Abgasskandals auf die Kostenbremse drückt. Allerdings dürfte sich niemand darüber wundern, wenn sich VW langfristig Alternativen zu diesen Zulieferern der Prevent-Gruppe sucht, die zu einem bosnischen Familienunternehmen gehört. Auch andere Autokonzerne dürften sich diesen Konflikt genau anschauen. Stefan Bratzel, Autoexperte der Fachhochschule Bergisch-Gladbach, sprach in diesem Zusammenhang in der taz bereits von einem „Harakiri“ der Zulieferer.

Davor fürchten sich auch die Beschäftigten der beiden sächsischen Firmen. Es gebe die Befürchtung in der Belegschaft, dass man mit dem Lieferboykott Vertrauen verspielt habe, sagte die IG-Metall-Funktionärin Franziska Wolf. „Die Kollegen machen sich Sorgen um ihre Arbeitsplätze.“

Niedersachsens Ministerpräsident und Volkswagen-Aufsichtsratsmitglied Stephan Weil (SPD) übte Kritik am Verhalten der Zulieferer. „Es bleibt bei mir ein Unbehagen über das Vorgehen der Prevent Group, die nicht bereit war, den in unserem Rechtsstaat vorgesehenen Weg einer Klärung vor den Gerichten zu gehen.“ Sie habe stattdessen einen Großkonflikt mit beträchtlichen Schäden eröffnet.

„Zwei streiten sich, und die Folgentragen Dritte“

Karl Schiewerling, CDU

Diesen Schaden könnte, zum Teil zumindest, auch die öffentliche Hand in Deutschland tragen. Schließlich zahlt die Bundesagentur für Arbeit das Kurzarbeitergeld, das Beschäftigte im Fall kurzfristiger Produktionsausfälle bekommen können. Der Arbeitsausfall muss auf wirtschaftlichen Gründen oder einem unabwendbaren Ereignis beruhen – Letzteres dürfte bei einem Streit zwischen zwei Firmen aber kaum der Fall sein.

Unionspolitiker fordern denn auch bereits, die Regeln für die Kurzarbeit zu präzisieren. „Kurzarbeitergeld darf nicht als Finanzierungsinstrument bei wirtschaftlichen Machtspielen zwischen Unternehmen missbraucht werden. Zwei streiten sich, und die Folgen tragen Dritte – das geht nicht“, sagte der arbeitsmarktpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Karl Schiewerling. „Wir können nicht einfach zur Tagesordnung übergehen“, sagte der Fraktionsvize Michael Fuchs.

Der SPD-Wirtschaftspolitiker Bernd Westphal hatte vor der Einigung noch im Deutschlandfunk gesagt, er halte es für „korrekt“, wenn im VW-Streit Kurzarbeitergeld gezahlt würde. Die Arbeitnehmer könnten am wenigsten für das Problem. Bei Entlassungen wären die Kosten für das Gemeinwesen weitaus größer. Daher sei die Überbrückung durch Kurzarbeit angemessen.