Rechtschaffene Begeisterung

POSTPUNK-KLASSIKER Die Rockgeschichte gönnt Mission of Burma Legendenstatus. Als juvenile Mittfünfziger rockten sie den Festsaal

Solide genug mit einem stampfenden Hardrock und dem juvenilen Quatsch drum herum

Das fing schon mal gar nicht schlecht an mit einer psychedelischen Dröhnung. Schön stumpf, dabei immer auch melodische Sensibilität zeigend. Manchmal war der Musik ein Velvet-Underground-Gedächtniswimpel angehängt.

Das war die Vorband. Delta Love, ein Berliner Schlagzeug/Gitarren-Duo. Und natürlich hoffte man, dass danach noch einmal ein weiteres Stück draufgelegt würde, denn immerhin kam an diesem Mittwochabend mit Mission of Burma eine Band mit veritablem Legendenstatus in den Festsaal Kreuzberg. Mit ihren Pionierarbeiten im Postpunk hatte sie sich so namhafte, bekennende Fans wie Nirvana, R.E.M. oder Sonic Youth erspielt, Ende der siebziger und Anfang der achtziger Jahre.

Dass die Band aus Boston bereits 1983 nach einer Handvoll Singles und dem Debütalbum „Vs.“ fürs Erste ihr Schaffen einstellte, hat ihrem nachhallenden Ruhm bestimmt nicht geschadet. Zwanzig Jahre später kamen sie auf Anregung von Steve Albini, einem weiteren Fan, wieder zusammen. In diesem Jahr gab es ein neues Album, „Unsound“. Auf dem ist eine rohe Gitarrenmusik zu hören in drängelnder, nervöser Unruhe. So ein Scheppern und Poltern, immer noch unbehaust nach zugiger Industriebaracke und kaltem Neonlicht klingend. Und eigentlich genau die Musik, die Mission of Burma auch bereits um 1980 herum aufgenommen hatte.

Dass der Legendenstatus dann in Berlin beim einzigen Deutschlandtermin ihrer Europatournee doch nur für einen etwa zu zwei Dritteln gefüllten Festsaal reichte, schien die Band nicht besonders zu kratzen.

Jedenfalls präsentierte sie sich gleich als hart arbeitende Kapelle, bei der es tüchtig schepperte und polterte. Zwischendurch wurde es auch mal richtig spannend mit längeren Trancerockpassagen, die einen daran erinnerten, dass Mission of Burma eben wegen der experimentellen Einschübe in ihre Musik gerühmt werden.

Und einigermaßen poppig wurde es mit „That’s when I reach for my revolver“, dem Song, mit dem Mission of Burma wenigstens so etwas Ähnliches wie einen Hit hatten in ihrer ersten Karrierestufe und mit dem sie auch den offiziellen Teil des Konzertes beendeten. Danach – mit drei statt nur zwei Liedern – ein leicht ausgedehnter Zugabenteil. Und eine irgendwie rechtschaffene Begeisterung im Festsaal Kreuzberg.

Also alles in allem: ein super Konzert. Wenn man jetzt im Kalenderjahr 1982 gestanden hätte. Und für die Gegenwart gerechnet, funktionierte das bei Mission of Burma solide genug mit dem stampfenden Hardrock, der einen aber auch etwas ratlos zurückließ mit der Frage, ob das nun wirklich genau die Musik ist, die gestandene Mittfünfziger machen wollen mit dem ganzen juvenilen Quatsch drum herum: mit der Nebelmaschine, der wie eine Monstranz über die Bühne getragenen Gitarre, den gesteigerte Emphase anzeigenden Ausfallschritten und den sonstigen taschenspielenden Rockerposen, mit denen man halt so seit Generationen die Jugendhäuser dieser Welt rockt.

Weil so nachgefragt sind Mission of Burma dann doch auch wieder nicht, dass sie bereits der schiere Erfolg dazu zwingen würde, wie etwa Motörhead immer weiter in den alten Stiefeln zu rocken: Mission of Burma müssten nicht.

Die mittelalten Jungs auf der Bühne aber schienen ihren Spaß zu haben. Und den Namen der Vorband sollte man sich wirklich merken. THOMAS MAUCH