Drei Freunde auf der Anklagebank

Prozess Ein Regierungsrat und leitender Beamte beim Landesamt für Gesundheit und Soziales muss sich vor Gericht verantworten: Er soll gegen Schmiergelder Aufträge an Bekannte vergeben haben

Vor 18 Jahren kam Oliver W. in die Firma von Dino J., die sich „Allgemeiner Bewachungsdienst“ nannte. Als der damals 22-Jährige bemerkte, dass sein Arbeitgeber keine Sozialversicherungsbeiträge für ihn entrichtete, erfuhr er von Kollegen, dass dies hier übliche Praxis sei. Er stellte Dino J. zur Rede. Der berichtete ihm von Schwierigkeiten – und begann eine Beziehung mit Oliver W.

Nun sitzen die beiden gemeinsam auf der Anklagebank vor dem Berliner Landgericht: Es geht um Umsatzsteuerhinterziehung in Höhe von 1,2 Millionen Euro, um nicht gezahlte Krankenkassenbeiträge in Höhe von 1,25 Millionen Euro sowie um Bestechungsgelder für den ebenfalls angeklagten Regierungsrat und Exreferatsleiter beim Landesamt für Gesundheit und Soziales, Stefan T., in Höhe von 123.000 Euro. Der vierte Angeklagte, Olaf K., war Fahrer und fungierte als Strohmann, der als Geschäftsführer auftrat.

Oliver W. versteckt sich nicht hinter vorgefertigten Erklärungen seiner Anwälte. Er erklärt das Geschäftsmodell der unzähligen Firmen, deren Mitarbeiter Dienstleistungen als Gebäudereiniger, Wachschützer und Tankstellenkassierer erbrachten.

W.s ehemaliger Lebensgefährte Dino J. gründete diese Firmen zunächst mit einem ebenfalls ehemaligen Lebensgefährten, dem Beamten Stefan T. – immer nach demselben Schema: kaum Sozialabgaben, minimale Umsatzsteuer entrichten, dann dafür sorgen, dass die überschuldeten Firmen – die für ihre unseriösen Dienstleistungen Geld bekamen – von spezialisierten Käufern übernommen und abgewickelt werden.

Zum Zeitpunkt der Firmenabgabe existierte bereits eine neue Firma, damit die Kunden der alten zu der neuen Firma mitgenommen werden konnten. Mindestens 18 Jahre lang soll Dino J. von diesem betrügerischen Modell gelebt haben. Dennoch scheute er sich nicht, ab Juni 2011 auch noch Hartz IV zu beantragen.

2004 gab es schließlich eine Hausdurchsuchung auf Initiative des Zollamtes. Ein Bekannter riet dem Beamten Stefan T., sich aus dem Konstrukt zurückzuziehen.

Den Zahlen misstraut

Als T. im Juli 2013 im Lageso als Regierungsrat die Stelle eines Referatsleiters und die Leitung der Unterbringungsleitstelle übernahm – also Verträge mit Betreibern von Flüchtlings- und Asylbewerberheimen aushandelte und unterzeichnete –, soll er diese Position zu seinem Vorteil genutzt haben.

Er beriet Dino J., wie er die Bewerbung seiner Firma DeDIG bei den Flüchtlingsheimen der Arbeiterwohlfahrt zu gestalten habe. Andererseits soll sich Stefan T. bei der AWO dafür eingesetzt haben, dass die DeDIG diesen Auftrag erhält – zumal diese auch ein günstiges Angebot abgeben konnte, da sie ja kaum Steuern und Sozialabgaben entrichtete.

Fünf Verträge für Sicherheitsdienstleistungen sollen auf diese Weise zustande gekommen sein, 5 Prozent des Geldes, dass die AWO an die DeDIG zahlte, soll der Referatsleiter für sich verlangt haben. „Herr T. kontrollierte, ob seine Provision mit den Umsätzen übereinstimmt“, erinnert sich Oliver W. „Dazu prüfte er die Rechnungslisten, die Herr J. vorher verfälscht hatte, um weniger Provision an Herrn T. zu zahlen.“

Stefan T. muss den Zahlen misstraut haben. Dino J. ließ ihm daraufhin ausrichten: „Wenn Herr T. mehr Geld haben möchte, soll er mehr Aufträge besorgen!“ Acht Jahre Haft, so erklärte die Staatsanwaltschaft in einem Vorgespräch, könne man sich vorstellen, wenn Dino J. ein Geständnis ablegt. Das soll am kommenden Freitag ge­schehen. Uta Eisenhardt