Schuld sind immer die anderen

KINDER In Bremerhaven fehlen 200 Kita-Plätze. Die Gewerkschaft wirft dem Magistrat vor, die steigende Kinderzahl missachtet zu haben. Der weist das von sich und gibt dem Land die Schuld

„In anderen Bundesländern trägt das Land ein Drittel der Kita-Kosten“

Klaus Rosche (SPD), Sozialstadtrat

Obwohl in Bremerhaven 200 Kita-Plätze fehlen, will die Stadt keine neuen Kitas bauen: „Kein Geld“, sagt Sozialstadtrat Klaus Rosche (SPD). Notlösungen wie die Vergrößerung der Kita-Gruppen oder das Umfunktionieren von Familienzentren stoßen auf heftigen Widerstand bei der Gewerkschaft Ver.di.

„Völlig inakzeptabel“ nennt Ver.di-Sekretär Jörn Kroppach Pläne aus dem letzten Jugendhilfeausschuss, nach denen geprüft werden soll, welche Kitas zusätzliche Gruppen einrichten oder in bestehenden Gruppen weitere Kinder unterbringen könnten: „Die Kitas sind ohnehin personell nicht gut ausgestattet – die Gruppen jetzt auch noch zu vergrößern, wäre fachlich ein Desaster.“

Auch die Vorschläge der Stadtverordneten Marika Büsing (SPD) und Marina Kargoscha (CDU), Familienzentren in Kitas umzuwidmen, lehnt Kroppach ab: „Nur ein Teil der Stunden der dort angestellten ErzieherInnen sind für Kinderbetreuung vorgesehen, das haut also allein personell gar nicht hin“, sagt er. Aber viel wichtiger sei es, dass die Zentren erhalten blieben: „Sie sind Anlaufstellen für Familien, Alleinerziehende, Eltern, Kinder und Jugendliche in den Stadtteilen Bremerhavens – es kann doch nicht sein, dass Infrastruktur abgebaut wird.“

In diesem Punkt scheint er sogar einer Meinung mit Klaus Rosche zu sein, der zu Büsings und Kargoschas Vorstoß nicht viel mehr sagen mag als ein schmales „Prüfen kann man alles“ – bevor er den „hohen integrativen Wert“ der Familienzentren lobt und erzählt, dass neulich auch die Bundestagsabgeordnete Bettina Hornhues (CDU) zwei Zentren besucht hätte und beeindruckt gewesen sei.

Letztendlich, sagt Rosche, müssten solche Vorschläge ja ohnehin vom Land genehmigt werden. Und auch eine „Verdichtung“ der Kita-Gruppen sei schließlich Landessache: „Die würde uns aber übrigens ohnehin nicht helfen, all die fehlenden Plätze zu schaffen“, sagt er.

Neue Kitas müssen also her, und da schlägt die Bremerhavener FDP die Prüfung eines Investorenmodells vor, um private Bauherren für den Bau von Kitas zu gewinnen. „Diese Idee ist nun wirklich nicht neu“, sagt Rosche. „Aber selbst wenn ein Investor da ist, müssen wir die Kita-Betriebe ja trotzdem bezahlen – und dafür fehlt uns das Geld.“

Helfen könne hier einzig das Land Bremen: „In anderen Bundesländern trägt das Land ein Drittel der Kita-Kosten, nur hier ist das nicht der Fall“, sagt er. Ein einziges Mal sei Bremen eingesprungen, da habe Bremerhaven Geld für den Krippenbereich bekommen, „aber das war’s auch“.

Kroppach wirft dem Magis­trat vor, auf die wachsende Kinderzahl zu spät zu reagieren: „Nicht nur die steigenden Geburten, sondern auch die Zuzüge in Bremerhaven waren lange absehbar“, sagt er. Rosche widerspricht zumindest teilweise. Die Geburtenrate habe man durchaus im Blick, sagt er: „Wir wissen und haben das auch schon sehr oft mitgeteilt, dass der Bedarf an Kitaplätzen jährlich um sechs bis sieben Prozent steigt.“ Die Zuwanderungszahlen aber seien so nicht absehbar gewesen und auch nicht der Bedarf an Ganztagsplätzen: „Der war früher nicht so groß.“

Wie das Problem gelöst werden soll, steht in den Sternen – fest steht nur, dass Bremen sich nicht zuständig fühlt: Auf taz-Nachfrage heißt es aus der Bildungsbehörde knapp: Innerhalb der Haushaltsberatungen habe es ein „finanzielles Gesamtpaket Bremerhaven“ gegeben: „Kita ist – wie Schule – eine kommunale Aufgabe.“ SCHN