Mexiko Schlusslicht

Bildungssystem Zu wenig Ausgaben, veraltete Lehrpläne. Experten fordern richtige Reform

Fünfzig Schüler – so viele sitzen im Schnitt in mexikanischen Schulklassen. Im Süden Mexikos kommt hinzu, dass viele Schüler indigener Herkunft sind und eigentlich zweisprachig unterrichtet werden müssten. „Regionale und lokale Charakteristika sollten nicht nur bei der Evaluation, sondern auch im Unterricht stärker berücksichtigt werden“, sagt Bildungsexperte Marcos Leyva von der Nichtregierungsorganisation Educa.

Davon ist Mexiko aber weit entfernt. Die Version der Regierung: Ihre Bildungsreform sei ein Fortschritt, weil sie Lehrer prüfe und damit die Qualität verbessere. Dass das Bildungsniveau landesweit steigen muss, ist unbestritten. Mexiko ist das Pisa-Schlusslicht unter den OECD-Ländern. Gestritten wird nun, wie.

Die Regierung will alle vier Jahre einen Qualitätstest für die 1,4 Millionen Lehrer einführen. Damit ist es aber nicht getan, entgegnet Enrique Greue, Rektor der autonomen Universität Mexikos UNAM. Das könne nur der erste Schritt zu einer weiter reichenden Bildungsreform sein, mahnte er schon vor Monaten in einem Interview mit der spanischen Tageszeitung El País. Die Lehrpläne, die didaktischen Modelle und die Zielperspektiven müssten auf den Prüfstand. Mexiko, kritisiert Greue, investiere zu wenig in die Bildung, obwohl rund die Hälfte der Bevölkerung in Armut lebe und die Schere zwischen Arm und Reich weit auseinanderklaffe.

Repression und Pensionäre

Für Bildungsminister Aurelio Nuño ist das jedoch kein Grund, die Bildungsreform auszuweiten. Zu den Lehrerprotesten in den Bundesstaaten Oaxaca, Chiapas, Guerrero und Michoacán sagte er lediglich, dass genügend Pensionäre und Lehranwärter als Ersatz einspringen könnten. Der Bildungsminister stellt sich damit demons­tra­tiv hinter die Politik der harten Hand des Innenministers Miguel Ángel Osorio – auch wenn beide genau wissen, dass sie die 80.000 Pädagogen, die die CNTE allein in Oaxaca mobilisieren kann, nie werden ersetzen können.

Ein Indiz dafür, dass es der Regierung in Mexiko Stadt weniger um die Bildung als vielmehr um Öffnung des Sektors für die Wirtschaft geht. Die PRI stehe für eine neoliberale Politik, sagt Educa-Bildungsexperte Marcos Leyva. „Dazu passt, dass die Eltern laut den Reformplänen der Regierung für den Erhalt der Schulen mitverantwortlich gemacht werden.“ Das senke die Kosten. Dagegen wehren sich in Oaxaca immer mehr Gemeinden. Sie fürchten, dass es in weiteren Schritten auch schnell um kommunale Landtitel gehen könnte, denn der PRI-Regierung sei viel zuzutrauen.

Die hat vergangene Woche überraschend eingelenkt: Regio­nale Besonderheiten sollen bei der Lehrerbewertung eine Rolle spielen, so Bildungsminister Aurelio Nuño. Am Dienstag traf sich der Minister sogar mit der unliebsamen Gewerkschaft. Die schien vor dem Treffen nicht sehr optimistisch. Für Donnerstag haben sie den nächsten Protest angemeldet. Knut Henkel