Alles, was man als Künstler so macht. Nur anders

Kunst Als Autor und Künstler hat Marcel Broodthaers den Kunstmarkt ironisch hinterfragt. Wie, zeigt das Studienzentrum für Künstlerpublikationen

Foto: Zentrum für Künstlerpublikationen

„Musée d’art moderne a vendre por cause de faillite“ – „Museum für moderne Kunst auf Grund von Konkurs zu verkaufen“, war eine Parole, die Marcel Broodthaers 1970 ausgab. Davon leitet sich der Titel der Ausstellung ab, die das in der Weserburg beheimatete Studienzentrum für Künstlerpublikationen nun seinem Werk widmet. Zu sehen sind zahlreiche Bücher und Plakate, aber auch Filme des 1924 in Brüssel geborenen Dichters und Künstlers.

Broodthaers hat seinen institutionskritischen Spruch anlässlich einer Ausstellung seines mehr oder weniger fiktiven „Musée de Aigles“ ausgegeben. Er hatte dieses „Museum der Adler“ 1968 in seiner eigenen Wohnung in Brüssel eröffnet. Er brachte draußen ein Schild an und stellte einen Transporter vor die Tür. Innen hatte er Kartons verteilt, auf die er Postkarten von Kunstwerken geklebt hatte. Ein richtiges Museum sollte es also nicht werden, eher so eine Art Metamuseum, das sich der Kritik am Kunstbetrieb, mit seinen Ausstellungshäusern, Akademien und vor allem dem Markt widmet.

Obwohl er 1976 in Köln verstarb, gilt sein Einfluss auf Künstlerinnen und Künstler, die sich bewusst jenseits des Einflusses der Institutionen positionierten, als immens. Dankbar und selbstbewusst nutzte er selbst für die reflexiven und ironischen Ausstellungen seines fiktiven Museums die Räume etablierter Museen wie die Kunsthalle Düsseldorf oder verschiedener Galerien in Deutschland, Belgien und Frankreich. In der Ausstellung sind Fotos und Dokumente dieser Aktionen zu sehen. Auf einem der Plakate etwa wird ganz seriös für eine Kinopremiere in einer Kölner Galerie geworben – und man erfährt auch nebenbei, dass der aufgeführte Film nur drei Minuten dauert. Marcel Broodthaers macht all die Dinge, die man als Künstler so macht, aber er macht sie anders.

Das war schon zu seiner Zeit als Schriftsteller und Dichter so, der angeblich durch die Bekanntschaft mit dem Maler René Magritte bei den Surrealisten landete. 1964 publizierte er den Gedichtband „Pense Bête“. Die seltene Ausgabe liegt in der Weserburg in einer Vi­trine. Das Cover ist finster, darauf grinst ein aus Lichtschlaufen geschwungenes Gesicht, im Hintergrund sieht man ein großes Schlüsselloch. Zu dem sich auch noch in den 60ern als revolutionär gebärdenden, surrealistischen Symbolismus passt das gut. Innen hat er in seine Poeme farbige Quadrate geklebt. Die Sprache wird zum Bild. Das sieht zwar schön aus, lesen kann man die Verse allerdings nicht mehr. Vielleicht ist das auch besser so. Im nächsten Schritt hat Broodthaers die Bücher in Gipsmasse verpackt und ausgestellt. Die Bücher waren damit unbrauchbar, aber die Literatur Kunst geworden. Bücher blieben zeitlebens sein wichtigstes Medium.

Das Unbehagen, das Broodthaers dem Kunstmarkt gegenüber hegte, lässt sich vielleicht an einem zweiteiligen mit Museum betiteltem Plakat veranschaulichen, das der deutsche Collagist Klaus Staeck herausgegeben hat. In langen Reihen sieht man auf dem ersten Plakat aneinander gereiht Fotos von Goldbarren, mit Seriennummer und Prägung. Darunter stehen die Namen berühmter Künstler wie Cranach, David und Magritte. Auf dem zweiten tragen die Barren die Namen Butter, Zucker und Speck. Was zunächst wirkt wie der typische Politkitsch von Staeck, entpuppt sich als kluger Gedanke. Es geht darin nämlich nicht um Moral, sondern um Qualität. Wenn das Bild eines Magritte identisch ist mit einem Cranach, und Speck dasselbe zu sein scheint wie Zucker, dann sind die Dinge ihres Gebrauchswertes beraubt und nichts weiter als Tauschwert.

Magritte, Cranach, Butter und Speck sind Tauschwerte

Wo er selbst mit Kunstmarkt in Kontakt kam, tat er es voller Ironie. Begleitend zu seiner ersten Galerie-Ausstellung 1964 formulierte er die folgenden Sätze: „Seit einiger Zeit war ich für nichts gut. Ich bin vierzig Jahre alt. Schließlich kam mir die Idee in den Sinn, etwas Unaufrichtiges zu erfinden. Nach Ablauf von drei Monaten zeigte ich die Ergebnisse dem Besitzer der Galerie St. Laurent. Aber das ist Kunst, sagte er, und ich werde alles ausstellen.“ Radek Krolczyk

Bis 30. Oktober, Weserburg

Der Autor ist Betreiber der Galerie K‘